Leitsatz
Ist gemäß § 844 Abs. 2 BGB der Ehefrau eines Getöteten der Schaden zu ersetzen, den sie dadurch erleidet, dass sie sowohl dessen Barunterhalt als auch dessen Beitrag zur Haushaltsführung entbehren muss, sind die Ersatzleistungen auch dann nicht steuerbar, wenn sie nicht einer Summe sondern in Form von regelmäßig wiederkehrenden Bezügen ausbezahlt werden.
Sachverhalt
Der Ehemann der Klägerin war 1998 aufgrund eines ärztlichen Kunstfehlers verstorben. Ab 2003 zahlte die Versicherung nach zähen Verhandlungen eine Schadensersatzrente nach § 844 Abs. 2 BGB in Höhe von monatlich 2.000 DM. Davon entfielen 1.300 DM auf den materiellen Unterhaltsschaden und der Rest (700 DM) auf den Haushaltsführungsschaden. Das Finanzamt nahm - auch im Einspruchsverfahren - steuerpflichtige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 EStG an, da wiederkehrende Leistungen vorlägen.
Entscheidung
Das Finanzgericht gab der Klägerin Recht. Das Gericht schließt sich zunächst der Auffassung des VIII. Senats des BFH im Urteil vom 25.10.1994 (VIII R 79/91, BStBl 1995 II121) an, nach dem kein Grundsatz besteht, dass Leistungen allein aufgrund ihrer Wiederkehr einkommensteuerpflichtig sind. Das Gericht verweist zunächst darauf, dass es nach Ansicht des X. Senats des BFH (Urteil v. 14.12.1994, X R 106/92, BStBl 1995 II 410) auf die Form der Auszahlung, als Einmalbetrag oder als laufende Rentenleistungen, im Hinblick auf die Steuerbarkeit nicht ankommen kann. Wenn Schadensersatzleistungen als Einmalbetrag nicht der Einkommenssteuer unterliegen, muss das gleiche für Schadensersatzleistungen in Form wiederkehrender Bezüge gelten.
Bei den Schadensersatzleistungen in einer Summe hängt die Steuerbarkeit jedoch davon ab, ob dadurch Leistungen ersetzt werden, die vor dem Schadensereignis steuerbar waren oder nicht. Dies folgt aus dem normativen Grundsatz des § 2 Abs. 1 EStG, dass nur die am Markt erwirtschaftete finanzielle Leistungsfähigkeit von der Einkommenssteuer erfasst wird. Bei der Auslegung des § 22 Nr. 1 EStG ist dieses Grundprinzip der Besteuerung zu beachten. Im Urteil des BFH vom 25.10.1994 sehen die Pfälzer Finanzrichter auch einen Paradigmenwechsel: Schadensersatzrenten war bisher nur dann nicht steuerbar, wenn finanziell ausgeglichen wird, dass schadensbedingt die Bedürfnisse vermehrt sind. Nunmehr sollen Schadensersatzrenten generell nur dann steuerbar sein, wenn durch sie Ersatz für andere nach dem Einkommenssteuergesetz steuerpflichtige Einkünfte geleistet wird. Im Streitfall ist in zweifacher Hinsicht Schadenersatz geleistet worden: die Witwe erhält von ihrem verstorbenen Mann keinen Unterhalt mehr und der Getötete konnte nicht mehr zur Haushaltsführung beitragen. Unterhalt und weggefallene Handlungsbeiträge sind selbstverständlich nicht steuerbar. Die Klägerin erhält kein zusätzliches disponibles Einkommen, sodass die Rechtsgedanken bei Vermögensübergaben gegen Versorgungsrenten nicht auf den Fall übertragbar sind.
Hinweis
Das Gericht stützt sich auf einen Großteil der Kommentarliteratur und verwirft die abweichende Auffassung im BMF-Schreiben vom 8.11.1995 (BStBl 1995 I S. 705). Es hat deswegen die Revision zugelassen. Die Zitterpartie für die Hinterbliebene geht damit in eine neue Runde. Dass das Finanzamt aufgrund einer wackeligen Rechtsgrundlage die Hand aufhält, ist jedoch dem Gesetzgeber anzulasten, der mit einer verfehlten Ausgestaltung der 7. Einkunftsart die Grundlage für die Rechtsunsicherheit bei wiederkehrenden Leistungen geschaffen hat. Den Gerichten bleibt daher nichts anderes über, als mit relativ vagen Erörterungen über den Sinn und Zweck einer Besteuerung nach Leistungsfähigkeit - destilliert aus § 2 Abs. 1 EStG - eine Steuerbarkeit von Schadensersatzrenten nur dann anzunehmen, wenn sie steuerpflichtige Einkünfte ersetzen. Dies erscheint vernünftig, weil umgekehrt Einkommensmehrungen, die vor einem Schadensereignis nicht steuerpflichtig waren, als Schadensersatzleistungen nach einem schädigenden Ereignis nicht anders zu behandeln sind. Das Gericht hat diese Erwägung jedoch nicht in systematischer Breite ausgearbeitet, sondern argumentiert etwas im Ungefähren mit einem Paradigmenwechsel in der BFH-Rechtsprechung, der zwar vernünftig wäre, so klar aus der BFH-Rechtsprechung aber nicht ableitbar ist. Vermutlich hatten die Richter von vornherein die Notwendigkeit eines Revisionsverfahrens im Blick, da diese Rechtsfragen nicht ausreichend geklärt sind.
Link zur Entscheidung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.07.2007, 4 K 1535/05