2.1 Vereinbarungsvorbehalt (Abs. 1)
Rz. 15
Abs. 1 legt für die Legitimation zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe einen Vereinbarungsvorbehalt fest. Danach darf der Träger der Eingliederungshilfe Leistungen der Eingliederungshilfe durch Dritte (Leistungserbringer) grundsätzlich nur bewilligen, soweit eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Träger des Leistungserbringers und dem für den Ort der Leistungserbringung zuständigen Träger der Eingliederungshilfe besteht. Zur Frage des Vorrangs der Bedarfsdeckung durch dritte Leistungserbringer, die nicht einem Träger der Eingliederungshilfe zuzurechnen sind vgl. § 124 Abs. 1 und Komm. § 124 Rz 6.
Ausnahmen sind Assistenzleistungen von Personen, die ein Ehrenamt ausüben (§ 113 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX i. V. m. § 78 Abs. 5 SGB IX); vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 264, und pauschale Geldleistungen nach § 116 Abs. 1 SGB XII. Auf ehrenamtlich tätige Personen findet das Vertragsrecht keine Anwendung. Pauschale Geldleistungen für einfache und wiederkehrende Bedarfe erhält der Leistungsberechtigte, um sich die Leistung am freien Markt einzukaufen (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 290).
Eine weitere Ausnahme vom Vereinbarungsvorbehalt sieht Abs. 5 vor (nach der Besonderheit des Einzelfalls), wonach unter restriktiven Voraussetzungen auch Leistungen durch Leistungserbringer, mit denen keine schriftliche Vereinbarung besteht, erbracht werden dürfen.
Vereinbarungen sind abstrakt-generelle, auf eine Vielzahl von möglichen Leistungsfällen zugeschnittene Verträge (zur entsprechenden Regelung in § 77 Abs. 3 SGB XII: Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 75 Rz. 41). Der Träger der Eingliederungshilfe wird durch den Abschluss von Vereinbarungen weder im Verhältnis zum Leistungserbringer noch zum Leistungsberechtigten verpflichtet, die Leistung tatsächlich durch den Leistungserbringer, mit dem Vereinbarungen abgeschlossen wurden, ausführen zu lassen (Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 75 Rz. 26; Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 75 Rz. 39). Die Konkretisierung des Leistungsfalls erfolgt ausschließlich durch die im zivilrechtlichen Schenkel des Dreiecksverhältnisses abgeschlossene Vereinbarung des Leistungsberechtigten mit dem Leistungserbringer auf der Grundlage der im Teilhabeplan/Gesamtplan (§§ 19 und 121) festgelegten Teilhabeziele, konkretisiert im Verwaltungsakt des Trägers der Eingliederungshilfe (§ 120).
2.2 Vertragspartner (Abs. 1 und 3)
Rz. 16
Vertragspartner sind die Träger der Eingliederungshilfe und die Leistungserbringer (Abs. 1 Satz 1) oder der Verband, dem der Leistungserbringer angehört (Abs. 1 Satz 2). Verbände der Träger der Eingliederungshilfe sind nicht abschlussberechtigt.
Abs. 1 Satz 1 konkretisiert den zuständigen Vertragspartner auf Seiten des Trägers der Eingliederungshilfe, wonach der für den Ort der Leistungserbringung zuständige Träger Vertragspartner ist. Die zuständigen Träger der Eingliederungshilfe werden durch § 94 SGB XII (i. d. F. des Art. 1 BTHG) i. V. m. den Landesausführungsgesetzen bestimmt, wobei die sachliche Zuständigkeit (örtlicher oder überörtlicher Träger) allein in den Landesausführungsgesetzen bestimmt wird (im Gegensatz zum Sozialhilferecht des SGB XII, vgl. § 97 SGB XII).
Nach neuer Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 8.3.2017, B 8 SO 20/15 R, Rz. 18, SozR 4-3500 § 77 Nr. 3) zur mit Abs. 1 Satz 1 vergleichbaren Regelung des § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (i. d. F. bis zum 31.12.2019, stellt auf den Sitz der Einrichtung ab) kann aus der Festlegung der sachlichen Leistungszuständigkeit ein mittelbarer Rückschluss auf die Zuständigkeit zum Vertragsabschluss nicht geschlossen werden. Das Urteil ist problematisch, da ein Auseinanderfallen von sachlicher Zuständigkeit hinsichtlich der Leistungserbringung und der Vertragsabschlusskompetenz nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen nicht gewollt sein kann. Siefert spekuliert, dass § 95 Satz 2 SGB IX (Sicherstellungsauftrag) eine Zuständigkeitsregelung für den Abschluss von Verträgen mit Leistungserbringern über Fachleistungen der Eingliederungshilfe enthalten könnte, die bislang nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 8.3.2017, B 8 SO 20/15 R, SozR 4-3500 § 77 Nr. 3) ausdrücklich nicht im SGB XII enthalten war, räumt aber ein, dass sich die Norm auch als allgemeiner Auftrag deuten ließe (Siefert, jurisPR-SozR 7/2017 Anm. 1 C. I.). Im Hinblick auf das Verbot der Aufgabenübertragung auf Gemeinden und Gemeindeverbände durch den Bundesgesetzgeber (Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG) geht diese Ansicht fehl. Der Bundesgesetzgeber konnte in § 95 Satz 2 SGB IX keine sachliche Zuständigkeitsregelung vornehmen. Aufgrund des Urteils ist den Ländern anzuraten, in ihren Ausführungsgesetzen eine ausdrückliche Zuständigkeitsregelung zum Abschluss von Vereinbarungen auch nach den §§ 123 ff. SGB IX zu normieren.
Der Gesetzgeber definiert den Begriff "Leistungserbringer" erstmals und verzichtet auf die bisherige Begrifflichkeit "Einrichtung und Dienst". Danach greift das Vertragsrecht, wenn Leistungen – wie üblich - durch Dritte,...