Rz. 9
Kommt es nach dokumentierter Aufforderung zu Verhandlungen innerhalb von 3 Monaten (die bisherige Wartefrist von 6 Wochen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019 wurde auf 3 Monate verlängert) zu keiner schriftlichen Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien, kann jede Partei hinsichtlich der strittigen Punkte die Schiedsstelle anrufen. Hierbei kann der Antrag auf Durchführung des Schiedsverfahrens von beiden Vertragsparteien gestellt werden. Solange beide Anträge anhängig sind, besteht zwischen den Antragstellern eine uneigentliche notwendige Streitgenossenschaft (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss v. 9.6.1995, 8 P 2267/95, DVBl. 1995 S. 933).
Die bisherige Frist von 6 Wochen hat sich in der Praxis vielfach als zu kurz und daher nicht praxisgerecht erwiesen, da die Verhandlungen in dieser Zeitspanne angesichts der Komplexität der Materie nicht abgeschlossen werden können. Die Verlängerung auf 3 Monate trägt diesem Umstand Rechnung, wahrt aber zugleich die Schutzfunktion der Vorschrift, in dem sie den beteiligten Verhandlungspartnern einen zügigen Abschluss des Verfahrens gewährleisten soll (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 303).
Im Gegensatz zur Aufforderung zu Vertragsverhandlungen sieht Abs. 2 für den Antrag an die Schiedsstelle keine Schriftform vor. Hier ist aber zu beachten, dass Rechtsverordnungen der Länder zusätzliche Formerfordernisse vorsehen können (§ 133 Abs. 5 Nr. 6; so Rechtspraxis zum geltenden Recht, vgl. Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 77 Rz. 15). Dies regelt z. B. § 7 Abs. 1 Satz 3 SGB XII – Schiedsstellenverordnung HH (HmbGVBl. 2004 S. 534).
Auch verzichtet Abs. 2 für den Antrag an die Schiedsstelle auf Vorgaben zum notwendigen Inhalt des Antrags. Klar ist, dass es sich um Gegenstände handeln muss, die auch nach § 125 verhandelbar und zwischen den Vertragsparteien strittig sind. Dies ist mindestens im Antrag kenntlich zu machen. Neumann fordert, dass die Begründung so konkret sein muss, dass die Schiedsstelle eine Entscheidung fällen kann (in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 77 Rz. 12). Auch hier sind weitere Vorgaben aufgrund der Rechtsverordnungen der Länder (Ermächtigungsgrundlage § 133 Abs. 5 Nr. 6) zu beachten (zur Rechtspraxis zum geltenden Recht, vgl. Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 77 Rz. 16). Die mangelnde Begründung führt nicht zur Unzulässigkeit des Antrags. Vielmehr hat die Schiedsstelle zur Nachbesserung aufzufordern (so auch Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 77 Rz. 12).
Die Kündigung der Vereinbarung ist keine zwingende Voraussetzung zum Antrag auf Nachverhandlungen (BSG, Urteil v. 7.10.2015, B 8 SO 1/14 R, SGb 2017 S. 104, 106 mit kritischer Anm. Gottlieb, SGb 2017 S. 104, 109).
Kein Verfahrenshindernis besteht für den Fall, dass tatsächlich keine Verhandlungen über den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung stattgefunden haben. Der Konfliktlösungsmechanismus soll gerade auch unwillige Vertragsparteien an den Verhandlungstisch zwingen (auch Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 77 Rz. 11).