2.1.1 Kinder und minderjährige Leistungsberechtigte
Rz. 6
Der weit überwiegende Teil der Leistungsberechtigten der Eingliederungshilfe erhält existenzsichernde Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Vierten Kapitel SGB XII, Kinder und minderjährige Leistungsberechtigte dagegen nach dem Dritten Kapitel SGB XII oder Sozialgeld nach § 19 SGB II, wenn sie in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Die Strukturreform der Eingliederungshilfe sieht als ein wesentliches Element die Trennung von Fachleistungen der Eingliederungshilfe und Lebensunterhalt vor (Aufhebung des § 27b SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019, ab 1.1.2020 ist § 27b SGB XII i. d. F. des Art. 13 BTHG Sonderregelung für den Lebensunterhalt in Einrichtungen, insbesondere Pflegeheimen). Für Personen, die in besonderen Wohnformen i.S.d. § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 u. Abs. 5 SGB XII leben gilt ab 1.1.2020 die allgemeine Anspruchsnorm für Leistungen zum Lebensunterhalt in § 27 SGB XII i. d. F. des Art. 13 BTHG). Diese Regelungen gelten jedoch nur für Volljährige und nicht für Kinder und Jugendliche. Für letztere gilt die Sonderregelung des § 27c SGB XII i. d. F. des Art. 13 BTHG.
Rz. 7
Hintergrund ist der für Kinder und Jugendliche nur begrenzt heranzuziehende Ansatz der personenzentrierten Systematik mit weitreichenden autonomen Entscheidungszuschreibungen in der Strukturreform der Eingliederungshilfe. Mit der personenzentrierten Neuausrichtung der Eingliederungshilfe sollen die Möglichkeiten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, verbessert werden. Dies betrifft insbesondere die Möglichkeit einer individuellen und den persönlichen Wünschen entsprechende Lebensplanung und -gestaltung. Diese Möglichkeit ist bei Kindern und Jugendlichen unabhängig von dem Vorliegen einer Behinderung stark eingeschränkt: Hier steht den Eltern die elterliche Sorge zu, die sowohl die Personensorge als auch die Vermögenssorge umfasst. Im Rahmen der Personensorge haben die Eltern die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. Lebensmittelpunkt ist im Regelfall die elterliche Wohnung (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 342). Aber auch die geplante – in der 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages nicht durchgesetzte – Reform des SGB VIII mit dem Ziel einer "großen Lösung", nämlich der Zuständigkeitskonzentration für alle Kinder und Jugendliche mit Bedarf auf Fachleistung der Eingliederungshilfe auf die Jugendhilfeträger (vgl. Hiller, caritas BVkE- Info 2017 – aktuell), sprach zur Vermeidung einer Präjudizierung dieser Reform für die Beibehaltung des geltenden Rechts für den Personenkreis von Kindern und Jugendlichen. Mit dem BTHG sollte keine Vorwegnahme der Strukturen für diese Reform erfolgen. Nach geltendem Recht sind Jugendhilfeträger nur für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen zuständig (§ 35a SGB VIII). Ziel ist es, dass die Jugendhilfeträger von den Trägern der Sozialhilfe (Eingliederungshilfe) auch die Zuständigkeit für die körperlich und seelisch wesentlich behinderten Kinder und Jugendliche erhalten.
Rz. 8
Motivation für diese Sonderregelung war aber auch das Ziel, bei der Einkommensheranziehung Unterhaltspflichtiger keine Verschlechterung gegenüber der (bis 31.12.2019) geltenden Rechtslage in Kauf zu nehmen, was durch die Sonderregelung in § 142 geleistet wird (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 311). Es bleibt bei der Finanzierungsverantwortung der Träger der Eingliederungshilfe auch für Lebenshaltungskosten einschließlich Kosten der Unterkunft mit nur begrenzter Heranziehung Unterhaltspflichtiger (Ersparen der Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt).
Unabhängig von dieser Sonderregelung und der damit im Zusammenhang stehenden Sonderregelung des § 142 für Lebenshaltungskosten einschließlich Kosten der Unterkunft gilt das neue Recht der Eingliederungshilfe in Teil 2 SGB IX aber auch für Kinder und Jugendliche mit körperlich und seelisch wesentlichen Behinderungen (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 307).
2.1.2 Auszubildende volljährige Leistungsberechtigte in einer Internatsschule (Absatz 4)
Rz. 9
Abs. 4 enthält eine Sonderregelung in Abweichung der Grundregel des § 125 für Vereinbarungen zum Lebensunterhalt auch für volljährige Leistungsberechtigte, die eine Internatsschule speziell für Menschen mit Behinderungen besuchen wie z. B. eine Internatsschule für blinde oder taubblinde Menschen. Voraussetzung ist der Besuch der Internatsschule mit dem Ziel einer Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und der Besuch weiterführender Schulen (§ 112 Abs. 1 Nr. 1) sowie zur schulischen Ausbildung für einen Beruf (§ 112 Abs. 1 Nr. 2).
Auch in diesen Konstellationen wird im Zusammenhang mit der Sonderregelung zur Anrechnung von Einkommen nach § 142 Abs. 3 erreicht, dass für Eltern volljähriger Kinder bei den existenzsichernden Leistungen zum Lebensunterhalt keine Schlechterstellung gegenüber der (bis 31.12.2019) geltenden Rechtslage erfolgt.