Rz. 15
Entsprechend dem Auftrag des Deutschen Bundestages an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in den Jahren 2017 und 2018 die rechtlichen Wirkungen von Art. 25a § 99 auf den leistungsberechtigten Personenkreis der Eingliederungshilfe zu untersuchen und dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat bis zum 30.6.2018 einen Bericht über das Ergebnis der Untersuchung vorzulegen, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Arbeitsgemeinschaft ISG Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH sowie transfer – Unternehmen für soziale Innovation mit den Unterauftragsnehmern Universität Kassel und Dr. med. Matthias Schmidt-Ohlemann mit dem Untersuchungsvorhaben beauftragt.
Das Forschungsvorhaben wurde im Zeitraum vom August 2017 bis Juli 2018 durchgeführt.
Der Abschlussbericht wurde dem Deutschen Bundestag mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales v. 12.9.2018 gemäß Art. 25 Abs. 5 BTHG zugeleitet und ist in der BT-Drs. 19/4500 veröffentlicht. Die Unterrichtung des Bundesrates durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erfolgte unter dem gleichen Datum (BR-Drs. 479/18).
Rz. 16
Auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse werden in dem Abschlussbericht Kriterien benannt, wie sich ein an der ICF orientierter Leistungszugang unter quantitativen und qualitativen Gesichtspunkten darstellen könne. Die Orientierung ergebe sich bereits aus (dem seit 2018 neu gefassten) § 2 Abs. 1 Satz 1, wonach der Behinderungsbegriff des deutschen Rechts insgesamt an der ICF orientiert sei.
Was die Zielgruppe leistungsberechtiger Menschen angehe, so sollten ausgehend vom gesetzgeberischen Willen zur Beibehaltung des leistungsberechtigten Personenkreises der Eingliederungshilfe nach § 99 mit dem nach § 53 SGB XII leistungsberechtigten Personenkreis die Grundzüge der bisherigen Regelung erhalten bleiben:
- Die Leistungen richten sich an Menschen mit Behinderung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 sowie von einer solchen Behinderung bedrohte Personen.
- Innerhalb dieses Personenkreises wird eine Qualifikation vorgenommen. Diese bisher als "wesentliche" Behinderung bezeichnete Qualifikation könne als "erheblich" modernisiert werden, um die unerwünschte Konnotation mit einem "Wesensmerkmal" auszuschließen.
- Leistungen für nicht "wesentlich" bzw. "erheblich" behinderte Personen könnten nach Ermessen geleistet werden (bisher § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Eine solche Regelung sei erforderlich, um ungewollte Leistungslücken auszuschließen.
Rz. 17
Für einzelne Personengruppen bzw. Fallkonstellationen solle die Leistungsberechtigung konkretisiert werden. Nur bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Beschäftigung in Werkstätten für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter oder mit einem Budget für Arbeit), bei Leistungen zur Teilhabe an Bildung und Leistungen zur sozialen Teilhabe gebe es nicht regelhaft einen vorrangig zuständigen Rehabilitationsträger. Daher sei eine originäre Bestimmung des leistungsberechtigten Personenkreises mit einem einschränkenden Merkmal nur für diese Leistungen zu empfehlen.
Rz. 18
Für die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben außer den Leistungen in WfbM oder durch ein Budget für Arbeit seien im Normalfall vorrangige Leistungsträger zuständig. Gebe es solche nicht, z. B. bei nichtversicherten Personen in der Krankenversicherung, sei ein Kriterium der erheblichen Behinderung zweifelhaft, da die Leistung z. B. eines Hilfsmittels im Umgang der Krankenversicherungsansprüche in jedem Falle erforderlich seien (§ 109 Abs. 2).
Für die Leistungen zur Teilhabe an Bildung nach §§ 75, 112 wäre es sinnvoll und konsequent, die Leistungsberechtigung allein daran zu orientieren, ob behinderungsbedingt eine erhebliche Beeinträchtigung der Teilhabe an Bildung im allgemeinen Bildungswesen eingetreten ist oder einzutreten droht.
Rz. 19
Ausdrücklich begrüßt wird in dem Abschlussbericht, dass der Gesetzgeber für die Berechtigung für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine eigene Leistungsvorschrift (Abs. 6) geregelt habe, da es hierfür allein auf eine wesentliche Beeinträchtigung der Teilhabe ankomme. Diese Regelung ist aber kein Ergebnis der Diskussionen aus dem Gesetzgebungsverfahren, der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung sah dies bereits in dem seinerzeitigen Abs. 4 vor.