Rz. 3
Abs. 1 bestimmt in Satz 1, dass in den Fällen, in denen Leistungen der Eingliederungshilfe in Einrichtungen oder Räumlichkeiten i. S. d. § 43a SGB XI in Verbindung mit § 71 Abs. 4 SGB XI erbracht werden, die Leistung auch die Pflegeleistungen in diesen Einrichtungen oder Räumlichkeiten umfasst. Einrichtungen i. S. d. § 43a SGB XI sind vollstationäre Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen, in denen die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen (§ 71 Abs. 4 SGB XI). Gemäß § 71 Abs. 4 SGB XI sind diese Einrichtungen keine Pflegeeinrichtungen i. S. d. § 71 Abs. 2 SGB XI.
Rz. 4
Hintergrund ist, dass für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 in diesen Einrichtungen die Pflegekassen zur Abgeltung der in § 43 Abs. 2 SGB XII genannten – nach den Pflegegraden gestaffelten – Aufwendungen lediglich 15 % der nach Kapitel 8 des Teils 2 des SGB IX (§§ 123 bis 134) vereinbarten Vergütung, höchstens 266,00 EUR im Kalendermonat übernehmen.
Inhaltlich wird in Abs. 1 § 55 SGB XII in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung übernommen, die bis dahin geltende Praxis in der Sache auch mit dem Inkrafttreten des Teils 2 des BTHG unverändert fortgesetzt. § 43a SGB XI war durch das Erste SGB XI-Änderungsgesetz v. 14.6.1996 (BGBl. I S. 830) zum 1.7.1996 in Kraft getreten. Die Auffassung, die Pflegeversicherung, die aus Beiträgen versicherungspflichtiger Beschäftigter, auch von Beschäftigten aus den Werkstätten für behinderte Menschen, getragen werde, müsse auch für die Personengruppe in diesen Einrichtungen stationäre Pflegeleistungen unabhängig von der Wohnform in voller Höhe erbringen, konnte sich nicht durchsetzen. Die Diskussion entbrannte auch wieder in den Beratungen und in der öffentlichen Anhörung zum Bundesteilhabegesetz am 7.11.2016. Auch mit dem BTHG wurde aber an dem politischen Kompromiss aus dem Jahre 1996 festgehalten.
Rz. 5
Aufgrund des Entfallens der Unterscheidung zwischen ambulanten, teilstationären und vollstationären Leistungen der Eingliederungshilfe und der Einführung der Personenzentrierung in Teil 2 des SGB IX zum 1.1.2020, ergab sich die Notwendigkeit, auch die Regelungen in § 43a SGB XI zum 1.1.2020 anzupassen. Der bisherige Anknüpfungspunkt des § 43a SGB XI an die Leistungserbringung in vollstationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen fiel damit jedenfalls im Bereich der vollstationären Versorgung erwachsener Menschen mit Behinderungen weg. Insofern musste ein Anknüpfungspunkt gefunden werden, der die bisherigen Rechtswirkungen auch unter Geltung der neuen Rechtslage weiter sicher abbilden könnte. Die Anpassung erfolgte mit dem Dritten Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drittes Pflegestärkungsgesetz – PSG III) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3191). Hierzu wurde § 71 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI neu gefasst.
Rz. 6
Damit findet § 43a SGB XI auch auf solche Räumlichkeiten Anwendung, in denen der Zweck des Wohnens von Menschen mit Behinderungen und der Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe für diese im Vordergrund steht und auf deren Überlassung das Wohn- und Betreuungsvertragsrecht Anwendung findet (§ 43a Satz 3 i. V. m. § 71 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Damit sollte der Erwartung begegnet werden, dass sich die bisherigen Einrichtungen formal aufspalten werden und ein Teil der ehemaligen vollstationären Einrichtungen zum Wohnbereich und ein anderer Teil zum Bereich etwa der Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben werde. Durch eine solche Aufspaltung sollte jedoch nicht die Fortgeltung der bisherigen Rechtsnormen des SGB XI umgangen werden können.
Rz. 7
Mit der Formulierung werden also die Fälle erfasst, bei denen die Überlassung von Wohnraum und die Erbringung von Pflege- und Betreuungsleistungen miteinander verknüpft sind und trägergebunden erfolgen. Als zusätzliche Voraussetzung für die Anwendung des § 43a SGB XI wurde in § 71 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI aufgenommen, dass eine Gesamtbetrachtung zu erfolgen hat, ob der Umfang der Versorgung weitgehend der Versorgung in einer vollstationären Einrichtung entspricht. In Räumlichkeiten, die die in § 71 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI geregelten Voraussetzungen erfüllen, erhalten die Bewohnerinnen und Bewohner den Wohnraum sowie Leistungen der Eingliederungshilfe und ggf. darüber hinaus erforderliche Leistungen zur Pflege oder Betreuung, die durch die Anbieter umfassend organisiert sind. Sie entsprechen damit im Kern den bereits bisher von § 43a und § 71 Abs. 4 SGB XI erfassten stationären Einrichtungen, in denen Aufgaben der Eingliederungshilfe im Vordergrund stehen.
Rz. 8
Satz 2 bestimmt, dass in den Fällen, in denen der Leistungserbringer feststellt, dass die erforderliche Pflege in der Einrichtung oder der Räumlichkeit nicht mehr sichergestellt ist, der Träger der Eingliederungshilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Leistungserbringer vereinbaren, dass die Leistung bei einem anderen Leis...