2.1 Erhebliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit
Rz. 2
In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist nach Satz 1, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Rz. 3
Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein , d. h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen noch zu Fuß zurückgelegt werden (Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 1996, Nr. 30 S. 165).
Nach der Rechtsprechung gilt als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne eine Strecke von etwa 2 Kilometern (BSG, Urteil v. 10.12.1987, 9a RVs 11/87).
Rz. 4
Voraussetzung ist, dass die Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit infolge der Behinderung vorliegt und nicht aufgrund von behinderungsunabhängigen Umständen, etwa aus Alterserscheinungen.
Rz. 5
Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 50 bedingen (Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 1996, Nr. 30 S. 166).
Rz. 6
In den Anhaltspunkten ist darüber hinaus ausgeführt, dass die Voraussetzungen (der Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit) auch bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein können, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40.
Hierbei ist aber zu beachten, dass hieraus kein Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr entstehen kann, wenn neben diesen Behinderungen keine weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorliegen und der festgestellte GdB nicht insgesamt wenigstens 50 beträgt. Allein aufgrund der oben angegebenen Einschränkungen könnte nur eine Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen erfolgen (vgl. § 151 Abs. 2), für diesen Personenkreis gelten jedoch die Vorschriften über die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr ausdrücklich nicht (vgl. § 151 Abs. 3).
2.2 Innere Leiden
Rz. 7
Zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehören auch schwerbehinderte Menschen, deren Gehvermögen durch innere Leiden beeinträchtigt ist. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Gehvermögens liegt deshalb auch vor bei Krankheiten des Herzens mit Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z. B. Spazieren gehen, Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit) und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion.
Zu den gesundheitlichen Einschränkungen, durch die das Gehvermögen als erheblich eingeschränkt anzusehen ist, gehören auch Anfallsleiden (BSG, Urteil v. 10.5.1994, 9 RVs 45/93).
2.3 Gehörlos
Rz. 8
Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70, bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. hochgradiger Schwerhörigkeit beiderseits, geistiger Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr – Beendigung der Gehörlosenschule) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt (Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 1996, Nr. 30 S. 166, 167).
Rz. 9
Hierzu ist anzumerken, dass bei hörbehinderten oder gehörlosen schwerbehinderten Menschen (ab 1.7.2001 – vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 Schwerbehindertenausweisverordnung in der aufgrund Einfügung in Art. 49 Nr. 5a cc dieses Gesetzes geltenden Fassung) ein Ausweis mit dem Merkzeichen "Gl" ausgestellt werden kann, bei gehörlosen Kindern – i. d. R. wenigstens bis zum Abschluss der schulischen und beruflichen Ausbildung – ...