0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift trat aufgrund des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) zum 1.1.2018 in Kraft.
Rz. 1a
Nach der Gesetzesbegründung zu § 27 (BT-Drs. 18/9522 S. 244) entspricht die Vorschrift inhaltlich der bisherigen Rechtslage in § 16 a. F., wurde jedoch im Hinblick auf die Anforderungen von Art. 80 GG konkretisiert. Dem BMAS wird im Anwendungsbereich der Gemeinsamen Empfehlungen die Kompetenz eröffnet, zu fachlichen Fragen des Verwaltungsvollzuges verbindliche Regelungen zu treffen, die sonst der Fachaufsicht des Bundes zuzuordnen wären. Gegenüber den selbstverwalteten Versicherungsträgern nimmt der Bund lediglich die Rechtsaufsicht wahr (Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht nach § 87 Abs. 1 SGB IV). Durch die Festlegung verbindlicher Vorschriften in Gestalt einer Rechtsverordnung können die fachlichen Gesichtspunkte aus dem Anwendungsbereich der Gemeinsamen Empfehlungen unter den Voraussetzungen des Satzes 1 ab dem 1.1.2018 den Rang einer Rechtsvorschrift erhalten, deren Beachtung der Bund dann über die ihm zustehende Rechtsaufsicht nachhalten kann. Durch den in Satz 1 abschließend beschriebenen Anwendungsbereich der Regelungen wird sichergestellt, dass durch die Verordnungsermächtigung nicht in die Selbstverwaltungskompetenz der Versicherungsträger des Bundes unverhältnismäßig eingegriffen wird. Die Herstellung des Einvernehmens mit dem BMG entspricht der Zuordnung der Geschäftsbereiche und der Aufsichtskompetenzen innerhalb der Bundesregierung.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift ermächtigt das Bundesministerium für Gesundheit und Soziales (BMAS), nach Zustimmung durch den Bundesrat unter bestimmten Voraussetzungen Regelungen in Form einer Rechtsverordnung zu erlassen, wenn es den Rehabilitationsträgern unter der Führung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) in einer vorgegebenen Zeit nicht gelungen ist, Gemeinsame Empfehlungen i. S. d. § 26 zu vereinbaren. Die Möglichkeit zum Erlass einer Rechtsverordnung besteht auch dann, wenn die vereinbarte Gemeinsame Empfehlung aus Sicht des BMAS nicht über die gebotene Qualität verfügt.
2 Rechtspraxis
Rz. 3
Nach § 26 sind die Rehabilitationsträger unter Federführung der BAR verpflichtet, im Rahmen der Selbstverwaltung und -verantwortung gemeinsam Empfehlungen zu vereinbaren, um die Erbringung von Teilhabeleistungen zu beschleunigen, qualitätsmäßig zu verbessern und zu vereinheitlichen. Die Vorschrift verfolgt als Ziel die Sicherstellung einer bedarfsorientierten, frühzeitig einsetzenden und bei einem Trägerwechsel nahtlos ineinandergreifenden, umfassenden Leistungsgewährung durch die sachlich zuständigen Rehabilitationsträger.
Vor diesem Hintergrund verpflichtet der Gesetzgeber die Träger der Rehabilitation dazu, in einer angemessenen Zeit Gemeinsame Empfehlungen zu vereinbaren.
§ 16 gibt dem Gesetzgeber die Möglichkeit einzugreifen, wenn notwendige Gemeinsame Empfehlungen nicht zustande kommen oder inhaltlich unzureichend sind. Die vom BMAS erlassene Verordnung hat dann den Rang einer Rechtsvorschrift, deren Beachtung der Bund dann über die ihm zustehende Rechtsaufsicht nachhalten kann (vgl. Gesetzesbegründung unter Rz. 1a).
Zum Erlass einer Rechtsverordnung ist das BMAS z. B. befugt,
- wenn zwar die Arbeiten zur Änderung der gemeinsamen Empfehlung aufgenommen wurden, sich aber zu lange hinausziehen oder
- bestehende Gemeinsame Empfehlungen unzureichend geworden sind oder
- wenn sich die Rehabilitationsträger wegen einzelner Einwände gegen den BAR-Vorschlag binnen 4 Wochen nach Vorlage des BAR-Vorschlags nicht auf einen gemeinsam getragenen Text für eine Gemeinsame Empfehlung einigen können (vgl. § 26 Abs. 7) und deshalb keine Vereinbarung zustande kommt.
In diesen Fällen kann der BMAS die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 aufgeführten Spitzenverbände der Rehabilitationsträger dazu auffordern, innerhalb von 6 Monaten nach Aufforderung Gemeinsame Empfehlungen zu vereinbaren oder bei diesen nachzubessern.
Die Feststellung, ob ein Regelungsbedarf besteht oder eine vorhandene Regelung in einer Gemeinsamen Empfehlung unzureichend ist, liegt allein im Ermessen des BMAS.
Nach Ablauf der Frist hat das BMAS die Befugnis, die offenen regelungsbedürftigen Auslegungen/Verfahren durch Rechtsverordnung verbindlich zu regeln. Diese Rechtsverordnung bedarf dann allerdings der vorherigen Zustimmung des Bundesrates.
Kommt eine Rechtsverordnung zustande, ist sie für die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 genannten Rehabilitationsträger verbindlich. Für die Träger der öffentlichen Jugendhilfe und der Sozialhilfe gilt dagegen § 26 Abs. 5 Satz 2. Danach haben sich die beiden Rehabilitationsträger an der Rechtsverordnung zumindest zu orientieren. Sie können aber der Gemeinsamen Empfehlung auch beitreten.
Rz. 4
Wurde eine Gemeinsame Empfehlung zwischen den Rehabilitationsträgern vereinbart und erfüllt diese nicht die Vorstellungen des BMAS, bedeutet das nicht, dass die Gemeinsame Empfehlung nicht rechtskräftig wird....