2.5.1 Überblick
Rz. 29
Die stufenweise Wiedereingliederung soll arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach längerer schwerer Krankheit schrittweise an die volle Arbeitsbelastung heranführen und so den Übergang zur vollen Berufstätigkeit erleichtern. Sie dient der Erprobung und dem Training der Leistungsfähigkeit des arbeitsunfähigen Versicherten am bisherigen Arbeitsplatz mit dem Ziel, die volle Arbeitsfähigkeit im bisherigen Beruf bzw. in der ausgeübten Tätigkeit wieder zu erlangen. Eine stufenweise Wiedereingliederung setzt voraus, dass der arbeitsunfähige Versicherte die bisherige berufliche Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen noch nicht im vollen Umfang verrichten kann. Im Laufe der stufenweisen Wiedereingliederung wird der Versicherte durch intervallmäßige Steigerung der Arbeitszeit und der Arbeitsbelastung wieder schrittweise an seinen bisherigen Arbeitsplatz herangeführt. Als Arbeitsplatz ist dabei die – im Verhältnis zu früher – vergleichbare Tätigkeit innerhalb derselben Betriebsorganisation zu verstehen.
Eine stufenweise Wiedereingliederung i. S. d. § 44 SGB IX mit der notwendigen Zahlung von Übergangsgeld kommt nicht nur infrage, wenn die stufenweise Wiedereingliederung an die bisher vertraglich vereinbarte Arbeitszeit (z. B. Vollzeitbeschäftigung mit 8 Stunden täglich) heranreicht. Übergangsgeld während der stufenweisen Wiedereingliederung zulasten der Rentenversicherung ist somit auch zu zahlen, wenn der Rehabilitand zukünftig nur noch in einem Teilzeitarbeitsverhältnis tätig sein möchte; denn die Befähigung zu einer zeitlich limitierten Arbeitstätigkeit ist eine Eingliederung in das Erwerbsleben, die einen entsprechenden Anspruch auf Übergangsgeld gemäß § 71 Abs. 5 auslöst (LSG München, Urteil v. 25.4.2018, L 13 R 64/15).
Stellt sich heraus, dass das Rehabilitationsziel nicht durch eine stufenweise Wiedereingliederung am alten Arbeitsplatz, sondern nur durch eine Beschäftigung an einem inhaltlich komplett neuen Arbeitsplatz bei dem gleichen oder bei einem anderen Arbeitgeber zu erreichen ist, handelt es sich nicht mehr um stufenweise Wiedereingliederung i. S. d. § 44 SGB IX. In diesen Fällen können Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß den §§ 49 ff. SGB IX in Betracht kommen.
Die Problematik der Fortzahlung des Übergangsgeldes i. S. d. § 71 Abs. 5 stellt sich nur, wenn der Rentenversicherungsträger die Leistung zur medizinischen Rehabilitation durchführte. Denn nur bei den Rentenversicherungsträgern kann während der eigentlichen Hauptleistung – der medizinischen Rehabilitation – ein Anspruch auf Übergangsgeld bestehen. Nur, wenn ein Anspruch auf Übergangsgeld i. S. d. § 20 SGB VI bestand, kann sich dieser Anspruch auf die Zeit der sich anschließenden stufenweisen Wiedereingliederung erstrecken. War z. B. die Krankenkasse für die medizinischen Rehabilitationsleistungen zuständig und erfolgt im Anschluss daran eine stufenweise Wiedereingliederung, zahlt diese nicht Übergangsgeld, sondern Krankengeld (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 28.5.2020, L 6 KR 100/15).
2.5.2 Voraussetzungen für die Fortzahlung des Übergangsgeldes
Rz. 30
Nach § 71 Abs. 5 i. V. m. der Rechtsprechung des BSG (Urteile v. 29.1.2008, B 5a/5 R 26/07 R; v. 5.2.2009, B 13 R 27/08 R; v. 20.10.2009, B 5 R 44/08 R und B 5 R 22/08 R) wird das Übergangsgeld im Anschluss an eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation vom Rentenversicherungsträger weitergezahlt, wenn
- bisher Übergangsgeld nach § 20 Abs. 1 SGB VI beansprucht werden konnte (vgl. Rz. 31)
- bei Beendigung der medizinischen Rehabilitationsleistung ärztlich festgestellt wird, dass eine stufenweise Wiedereingliederung durchgeführt werden soll, um im Rahmen einer in der Zusammenschau einheitlichen Gesamtmaßnahme das Rehabilitationsziel (vollständige Herstellung der Erwerbsfähigkeit; vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2) zu erreichen (vgl. Rz. 32)
- der Versicherte weiterhin arbeitsunfähig ist und das Eingliederungsziel – auch vom Versicherten – konsequent weiterverfolgt wird (vgl. Rz. 33)
- sich die stufenweise Wiedereingliederung unmittelbar an die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation anschließt (vgl. Rz. 34).
Rz. 31
Zu 1)
Gemäß dem Wortlaut des § 71 Abs. 5 wird während einer stufenweisen Wiedereingliederung Übergangsgeld weitergezahlt. Dieses "Weiterzahlen" setzt voraus, dass der Rehabilitand zumindest bei Beendigung der Rehabilitationshauptleistung einen Grundanspruch auf Übergangsgeld gehabt haben muss; eine tatsächliche Zahlung von Übergangsgeld wird allerdings nicht gefordert. Deshalb ist der Anspruch auf Übergangsgeld gegenüber dem Rentenversicherungsträger auch gegeben, wenn der Anspruch auf Übergangsgeld bei Beendigung der Rehabilitationsleistung ruhte und diese Ruhenswirkung während der stufenweisen Wiedereingliederung wegfällt.
Rz. 32
Zu 2)
Eine stufenweise Wiedereingliederung ist nur dann sinnvoll, wenn während der bisherigen Rehabilitationsleistung das geplante Ziel – nämlich die vollständige Herstellung der berufstypischen Erwerbsfähigkeit – noch nicht erreicht wurde. Dieses Ziel ist erst erreicht, wenn der Versicherte die bisherige berufliche Tätigkeit ...