Rz. 30
§ 72 Abs. 3 ist ausschließlich auf die Geldleistungen nach § 72 Abs. 1 Nr. 3 beschränkt. Nach § 72 Abs. 1 Nr. 3 ist das Übergangsgeld um Geldleistungen, die eine öffentlich-rechtliche Stelle im Zusammenhang mit der Rehabilitations- bzw. Teilhabeleistung zahlt, zu kürzen. Zahlt diese Stelle nicht, ist Übergangsgeld zu zahlen. Wird diese Geldleistung zu Unrecht verweigert, hat der das Übergangsgeld zahlende Rehabilitationsträger einen Erstattungsanspruch gegen die öffentlich-rechtliche Institution, die die anzurechnende Geldleistung zu zahlen hätte.
Praktische Bedeutung hat diese Vorschrift heute nur sehr selten, weil die öffentlich-rechtlichen Stellen ihren gesetzlichen Verpflichtungen i. d. R. nachkommen. Eine Anwendung des § 72 Abs. 3 ist allerdings denkbar, wenn die von einer öffentlichen Stelle bereit zu stellende Geldleistung aufgrund unzureichender Angaben des Betroffenen oder aufgrund fehlender Unterlagen (z. B. medizinischer Berichte) noch nicht festgestellt werden kann und deshalb der Rehabilitationsträger mit der Zahlung von Übergangsgeld in ungekürzter Höhe beginnt.
Der automatische Anspruchs-/Forderungsübergangs erfolgt kraft Gesetzes zum Zeitpunkt der Zahlung des Übergangsgeldes; mit diesem Zeitpunkt geht der Zahlungsanspruch des Rehabilitanden gegenüber der öffentlich-rechtlichen Stelle auf den Rehabilitationsträger über. Einer Abtretung des Rehabilitanden bedarf es nicht.
Zu der Entstehung des Anspruchsübergangs (der Gesetzgeber wählte nicht den Begriff des "Erstattungsanspruchs") bedarf es weder einer Anzeige i. S. d. § 111 SGB IX noch irgendeiner anderen Anzeige des Rehabilitationsträgers. Auch bedarf der Anspruchsübergang keiner Abtretung des Anspruchs durch den Rehabilitanden. Der Rehabilitationsträger ist aktiv legitimiert, Ansprüche auch gerichtlich geltend zu machen. Auch ist eine Geringfügigkeitsgrenze, wie sie in § 110 Satz 2 SGB X vorgegeben ist, nicht zu beachten.
Abs. 3 verweist u. a. darauf, dass die §§ 104 und 115 SGB X unberührt bleiben. Sollte z. B. von einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung nicht im gesetzlich vorgeschriebenen Umfang rechtzeitig gewährt werden können (mangelnde Auskunft des Arbeitnehmers) und gehen deswegen Ansprüche auf den Rentenversicherungsträger über, so sind diese ausschließlich über § 115 SGB X abzuwickeln. Und wird im Zusammenhang mit einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben Übergangsgeld gewährt und später rückwirkend Rente wegen Erwerbsminderung bewilligt, führt dies wegen der Anrechnungsregelung des § 72 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX zu einem Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger nach § 104 SGB X (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 22.5.2014, L 10 R 5615/11).