Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsvoraussetzungen des § 25d UStG im Falle der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters
Leitsatz (redaktionell)
Im Falle der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und damit auch die steuerliche Verantwortlichkeit für die Abführung der ausgewiesenen USt beim Insolvenzschuldner.
Es besteht kein allgemein bekannter Erfahrungssatz dahingehend, dass bei einer Leistungserbringung in der Phase der vorläufigen Insolvenzverwaltung die rechnungsmäßig ausgewiesene USt nicht abgeführt wird, weil jedenfalls der vorläufige Insolvenzverwalter einer solchen Abführung nicht zustimmen wird.
Normenkette
UStG § 25d; InsO § 21 Abs. 2 Nr. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin zu Recht gemäß § 25 d Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) in Haftung genommen wurde.
Die Klägerin erwarb von der X GmbH (nachfolgend GmbH bzw. Insolvenzschuldnerin) diverse Maschinen zum Preis von 7.300 € zzgl. 1.168 € Umsatzsteuer (USt). Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Rechnung vom 12. November 2003 verwiesen. Zum Erwerbszeitpunkt befand sich die GmbH im vorläufigen Insolvenzverfahren. Das Amtsgericht hatte mit Beschluss vom 18. August 2004 einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und angeordnet, dass Verfügungen der Insolvenzschuldnerin nur noch mit dessen Zustimmung wirksam sein sollten (§§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. Insolvenzordnung - InsO). Der vorläufige Insolvenzverwalter genehmigte das Geschäft nach Durchsetzung des in der Rechnung ausgewiesenen Mehrgebots, lehnte jedoch die Abführung der USt ab. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte mit Beschluss vom 3. Dezember 2004.
Im Haftungsverfahren machte der Insolvenzverwalter gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 15. Juni 2005 die folgenden Angaben:
- "Die Geschäftsführerin der Insolvenzschuldnerin hat während der vorläufigen Insolvenzverwaltung beabsichtigt, die entstehenden Umsatzsteuerbeträge abzuführen. Frau ... durfte über die Beträge nicht verfügen. Sie konnte auch nicht Vorkehrungen treffen, um die Zahlungen der Umsatzsteuerbeträge sicherzustellen. Aufgrund des Insolvenzverfahrens ist es mir nicht möglich, die Umsatzsteuerbeträge, die vor Insolvenzeröffnung entstanden sind, an das Finanzamt abzuführen. Meines Erachtens konnte die Erwerberin nicht wissen, daß die Verkäuferin die Umsatzsteuer nicht entrichten wird. Zumindest habe ich ihr das nicht mitgeteilt. Im übrigen war die Insolvenzschuldnerin in der Lage, die Umsatzsteuer abzuführen. Aufgrund der vom Amtsgericht ausgebrachten Sicherungsmaßnahmen habe ich die Überweisung jedoch nicht durchgeführt."
Mit Bescheid vom 17. August 2005 nahm der Beklagte die Klägerin wegen der rückständigen USt in Höhe von 1.168 € in Haftung: Aufgrund der Hinweise auf der Rechnung sei davon auszugehen, dass die Klägerin während der Kaufpreisverhandlungen mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter von dem gestellten Insolvenzantrag und den gerichtlich angeordneten Sicherungsmaßnahmen Kenntnis erlangt habe. Zumindest aber hätte sie unter Zugrundelegung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes hiervon Kenntnis haben müssen. Es hätte dann der Klägerin zumindest bewusst sein müssen, dass die Insolvenzschuldnerin wegen der Sicherungsmaßnahmen die in der Rechnung ausgewiesene USt nicht an das Finanzamt abführen würde.
Die Klägerin hat mit am 19. September 2005 beim Beklagten eingereichter Klageschrift Sprungklage erhoben. Der Beklagte hat der Sprungklage mit Schriftsatz vom 10./12. Oktober 2005 zugestimmt.
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend: Die Haftungsvoraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Klägerin habe von dem in § 25 d Abs. 1 Satz 1 UStG vorausgesetzten Sachverhalt weder Kenntnis gehabt noch hätte sie diese haben müssen. Die insolvenzrechtliche Lage sei derart kompliziert, dass jedenfalls der Geschäftsführer einer Kleinst-GmbH - wie der Klägerin - diese nicht in dem vom Beklagten behaupteten Sinne hätte einschätzen können.
Die Klägerin beantragt,
- den Haftungsbescheid vom 17. August 2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
Allen am Wirtschaftsleben beteiligten Personen sei klar, dass vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Forderungen mit einem hohen bzw. nahezu vollständigen Ausfallrisiko behaftet seien. Dementsprechend werde kein Geschäftspartner gegenüber einem im vorläufigen Insolvenzverfahren befindlichen Unternehmen eine Leistung erbringen, es sei denn, es handele sich um ein privilegiertes Dauerschuldverhältnis oder es liege eine gerichtliche Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten vor. Beides sei hier erkennbar nicht der Fall gewesen. Der Ausfall der USt hätte auch durchaus vermieden werden können, z.B. dadurch, dass mit der Verwertung der Kaufgegenstände bis zur Verfahrenseröffnung abgewartet worden wäre oder aber der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Insolvenzger...