Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine erhöhte degressive AfA für Alters- und Pflegeheime, wenn durch die zusätzlich erbrachten Dienstleistungen die reine Wohnraumüberlassung überlagert wird. Auslegung des Begriffs „Wohnzwecken dienen” im Sinne des § 7 (3) S. 2 EStG 1992 bei Überlassung einer verpachteten Seniorenwohnanlage
Leitsatz (redaktionell)
Werden in einem Heimvertrag in erheblichem Umfange das Vertragverhältnis prägende Zusatzleistungen vereinbart (z.B. volle Verpflegung, Reinigung der überlassenen Räume, Betreung bei leichten Erkrankungen, Nutzungsmöglichkeit hinsichtlich der vorhandenen Gemeinschaftseinrichtungen sowie Unterstützung bei der Kommunikation und Freizeitgestaltung), so scheidet eine Inanpruchnahme des erhöhten degressiven Satzes nach § 7 Abs. 5 Satz 2 EStG für das Heim-Gebäude aus, da die vereinbarten – gegebenenfalls durch eine zwischengeschaltete Betreibergesellschaft zu erbringenden – Zusatzleistungen die schlichte Wohnraumüberlassung überlagern und damit das Alters- oder Pflegeheim nicht mehr „überwiegend Wohnzwecken” i.S.d. Abschreibungsnorm dient.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 5 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das von der Grundstücksgemeinschaft errichtete Gebäude Wohnzwecken dient mit der Folge, daß der Abschreibungssatz der degressiven Absetzung für Abnutzung (AfA) nicht 5 %, sondern 7 % beträgt.
Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
A und B hatten sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) unter dem Namen „Grundstücksgesellschaft bürgerlichen Rechts A und B” zusammengeschlossen und die in C gelegene Seniorenwohnanlage mit Inventar errichtet.
Die von der GbR errichtete Seniorenwohnanlage wurde an die Seniorenwohnanlage F GmbH & Co KG verpachtet. Pachtgegenstand waren die im Pachtvertrag genannten Grundstücke mit aufstehender Seniorenwohnanlage nebst Inventar. Nach dem Vertrag hat der Pächter die Einrichtungsgegenstände der Seniorenwohnanlage, insbesondere medizinische Gerätschaften, auf seine Kosten auf neuzeitlichem Standard zu halten. Die Verpächterin hat das Grundstück und die Seniorenwohnanlage auf eigene Kosten in gutem Zustand zu erhalten.
Nach dem vorliegenden Muster eines Heimvertrages erbrachte die Pächterin gegenüber den Heimbewohnern folgende Leistungen und Dienste:
Das Heim gewährt dem Heimbewohner Pflege, die volle Versorgung und zur Erbringung dieser Leistungen stellt das Heim dem Bewohner Unterkunft im Pflegebereich zur Verfügung. Darüber hinaus stellt das Heim dem Heimbewohner Leistungen und Dienste zur Verfügung, die nach Wunsch, Notwendigkeit und Möglichkeit in Anspruch genommen werden können und mit den Heimkosten abgegolten sind, wie z.B. Nutzung der vorhandenen Gemeinschaftsräume, Gemeinschaftseinrichtungen, die Teilnahme an kulturellen und gesellschaftlichen Veranstaltungen und Hilfen zur Freizeitgestaltung und zur Kommunikation. Der Heimkostensatz beträgt z.Zt. – 1997 – 132 DM täglich.).
Die Grundstücksgesellschaft ermittelte ihren Gewinn in den Streitjahren nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Die Gebäude wurden degressiv mit einem Abschreibungssatz von 7 v.H. abgeschrieben, weil nach Auffassung der GbR die Seniorenwohnanlage Wohnzwecken diene (§ 7 Abs. 5 Satz 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung). Bei einer bei der GbR durchgeführten Außenprüfung vertrat der Betriebsprüfer (BP) die Ansicht, daß die Anlage nicht Wohnzwecken diene und deshalb nur ein Abschreibungssatz von 5 v.H. gewährt werden könne (§ 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung). Es handle sich bei den von der Pächterin mit den Heimbewohnern abgeschlossenen Pflegeverträgen nicht um Wohnungsmietverträge, weil die Pächterin die Heimbewohner umfassend pflegerisch betreue und umsorge. Nach den Heimverträgen trete die Raumgewährung nach Nr. 4 des Heimvertrages hinter die vom Heimbetreiber zu erbringenden Pflege- und Betreuungsleistungen einschließlich der Versorgung (Nr. 2 und 3 des Heimvertrages) zurück. Diese Auslegung ergebe sich bereits aus der Höhe der von den Pflegebedürftigen zu entrichtenden Entgelte (täglicher Heimkostensatz im Jahre 1997: 132 DM). Diese Auslegung entspreche auch der Zivilrechtslage. Danach handle es sich um gemischte Verträge, bei denen die Pflege dem Rechtsverhältnis das Gepräge gebe.
Das beklagte FA schloß sich der Meinung des Betriebsprüfers an und führte gegen die GbR geänderte gesonderte und einheitliche Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1992 bis 1995 durch.
Der hiergegen erhobene Einspruch wurde als unzulässig verworfen, da der Einpruch verspätet eingegangen sei.
Mit der dagegen erhobenen Klage wird formell Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt. In materieller Hinsicht wird beantragt, die AfA für das Pflegegebäude und das neue Pflegeheim gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 EStG mit 7 % jährlich zu gewähren, denn das Gebäude diene Wohnzwecken. Bei der Stellung des Bauantrags habe man auf die Richtigkeit der...