Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung mehrerer Geschäftsführer für Steuerschulden - Haftungsquote
Leitsatz (amtlich)
Es ist regelmäßig ermessenswidrig, einige von mehreren Geschäftsführern wegen derselben haftungsbegründenden Pflichtverletzung in weiterem Umfang in Haftung zu nehmen, wenn zugleich die Haftung anderer auf eine niedrigere Haftungsquote beschränkt wird.
Normenkette
AO §§ 69, 34, 191 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte den Kläger zu Recht als Haftungsschuldner für Steuerschulden der A GmbH (nachfolgend GmbH) in Anspruch genommen hat.
Die GmbH, die früher als C GmbH firmiert hatte, gehörte zunächst einem Konzernverbund an. In diesem fungierte die E AG i.L. (nachfolgend AG), die auch zu 100 % an der GmbH beteiligt war, im Sinne einer Holdinggesellschaft als Muttergesellschaft diverser weiterer Gesellschaften. Der Kläger war Vorstand der AG und Geschäftsführer mehrerer Tochtergesellschaften der AG. Vom 13. Februar 2009 bis zum 23. Juni 2010 war der Kläger auch Geschäftsführer der GmbH, bis zum 16. November 2009 neben Herrn B.
Mit Kaufvertrag vom 22. Dezember 2009 verkaufte die AG, vertreten durch den Kläger als ihren Abwickler, sämtliche Anteile an der GmbH mit Wirkung zum 1. Januar 2010 zu einem Kaufpreis von … EUR an die G GmbH, deren Geschäftsführer L und K waren. Die Übertragung der Anteile erfolgte am 12. Januar 2010. Zum 29. Januar 2010 wurden L und K - neben dem Kläger - zu Geschäftsführern der GmbH bestellt. L, K und der Kläger waren jeweils alleinvertretungsberechtigt.
Bereits ab Februar/März 2010 herrschte zwischen L und K einerseits sowie dem Kläger andererseits ein angespanntes persönliches Verhältnis. Hintergrund der Spannungen war der Umstand, dass L und K meinten, die G GmbH sei beim Erwerb der Anteile an der GmbH übervorteilt worden. Vor diesem Hintergrund richteten L und K für die GmbH neue Geschäftskonten ein, für die der Kläger keine Vollmacht erhielt. Außerdem zahlte die G GmbH den vereinbarten Kaufpreis nicht in vollem Umfang. Es folgten diverse Rechtsstreitigkeiten sowie die Insolvenzen der beteiligten Unternehmen. Am 4. Oktober 2013 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH gestellt, woraufhin das Verfahren am 13. November 2013 eröffnet wurde.
Der Kläger war nicht in größerem Umfang für die GmbH tätig geworden. Das Tagesgeschäft wurde im Wesentlichen durch angestellte Prokuristen sowie die jeweiligen Mitgeschäftsführer B, L und K erledigt. Hauptaufgabe des Klägers in der GmbH war es, im Rahmen der Abwicklung des Anteilsverkaufs einen ordnungsgemäßen Übergang auf die Erwerbergesellschaft zu gewährleisten. Insofern veranlasste der Kläger am 14. Januar 2010 die Schließung eines Geschäftskontos. Außerdem schloss er am 1. März 2010 für die GmbH Leasingverträge über die Büroausstattung ab. Ferner unterzeichnete er am 30. April 2010 den Jahresabschluss der GmbH auf den 31. Dezember 2009. Nach erfolgter Überleitung legte der Kläger sein Amt als Geschäftsführer am 23. Juni 2010 nieder.
Auch die Körperschaftsteuererklärung der GmbH für den Veranlagungszeitraum 2008, die am 24. November 2009 beim Beklagten einging, hatte der Kläger unterzeichnet. Mit ihr erklärte die GmbH - ausgehend von einem Jahresfehlbetrag in Höhe von ./. … EUR - ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von ./. … EUR. Das negative zu versteuernde Einkommen ergab sich im Wesentlichen daraus, dass die GmbH Teilwertabschreibungen auf Forderungen gegenüber der AG in Höhe von etwa 1,6 Mio. EUR vorgenommen hatte. Zuvor hatte die GmbH bereits unter Bezugnahme auf einen am 14. Mai 2009 vorgelegten - vorläufigen - Jahresabschluss u.a. beantragt, die Körperschaftsteuervorauszahlung für das 4. Quartal 2008 auf 0 EUR herabzusetzen. Daraufhin hatte sich ein längerer Schriftwechsel zwischen dem Beklagten und der GmbH entwickelt, in dessen Rahmen sich der Beklagte auf den Standpunkt stellte, dass die vorgenommene Teilwertabschreibung sich jedenfalls im Ergebnis steuerlich nicht auswirke. Unter Bezugnahme auf diesen Schriftverkehr ließ der Beklagte die Teilwertabschreibung auch bei der Körperschaftsteuerfestsetzung für 2008 unberücksichtigt. Diese erfolgte mit Bescheid vom 24. Februar 2010 in Höhe von … EUR nebst Solidaritätszuschlag (SolZ) in Höhe von … EUR. Die GmbH wurde zur Zahlung bis zum 1. April 2010 aufgefordert.
Gegen den Körperschaftsteuerbescheid legte die GmbH Einspruch ein, außerdem beantragte sie am 13. April 2010 die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Bescheides. Mit Bescheid vom 18. Juni 2010 stundete der Beklagte die festgesetzte Körperschaftsteuer mit Wirkung vom 13. April 2010 an. Die begehrte AdV lehnte er mit Bescheid vom 2. Juli 2010 ab, die Stundung wurde mit Bescheid vom 6. Juli 2010 aufgehoben. Ein am 29. Juli 2010 beim Finanzgericht gestellter Antrag auf AdV wurde mit Beschluss vom 11. Oktober 2010 zum Aktenzeichen 1 V 187/10 abgelehnt. Der Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid wurde mit Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2011...