Revision eingelegt (BFH XI R 29/20)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung einer UG zur Abgabe einer elektronischen Bilanz
Leitsatz (redaktionell)
Bei Vorliegen einer persönlichen oder wirtschaftlichen Unzumutbarkeit besteht ein Anspruch des Steuerpflichtigen auf den Verzicht der Finanzbehörde auf die elektronische Übermittlung des Inhalts der E-Bilanz, da es sich bei der nach § 150 Abs. 8 Satz 1 AO i.V.m. § 5b Abs. 2 Satz 2 EStG zu treffenden Entscheidung um eine gebundene Entscheidung handelt. Liegen die Voraussetzungen des § 150 Abs. 8 Satz 1 AO nicht vor, so kann die Finanzbehörde dennoch gemäß § 5b Abs. 2 Satz 1 EStG auf die elektronische Übermittlung verzichten, insoweit besteht ein Anspruch des Steuerpflichtigen auf ermessensfehlerfreie Bescheidung.
Normenkette
AO § 150 Abs. 8; EStG § 5b
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Verzicht des Beklagten zur elektronischen Abgabe ihrer Steuerbilanz hat.
Die Klägerin ist eine haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft, die mit notariellem Gründungsvertrag vom 21. März 2011 errichtet wurde. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb von Internetplattformen. Das Stammkapital beträgt 2.500,00 €.
In den vorangegangenen Jahren erwirtschaftete die Klägerin wechselseitig Gewinne und Verluste, zumeist im unteren bis mittleren vierstelligen Bereich.
Die Steuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2011 bis 2016 reichte die Klägerin stets in Papierform beim zuständigen Finanzamt ein. Die Körperschaftsteuer-, die Umsatzsteuer- und die Gewerbesteuererklärung 2017 wurden dann elektronisch an das zuständige Finanzamt übermittelt, während die Bilanz für 2017 wiederum in Papierform eingereicht wurde. In der Begründung des Körperschaftsteuerbescheides 2017 vom 02. Oktober 2018 wies der Beklagte deshalb darauf hin, dass sowohl die Bilanz als auch die Gewinn und Verlustrechnung nach § 5b Einkommensteuergesetz -EStG- elektronisch nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz an die Finanzverwaltung zu übermitteln seien.
Für das Kalenderjahr 2018 reichte die Klägerin die Umsatzsteuer- und die Gewerbesteuererklärung am 15. Oktober 2019 und die Körperschaftsteuererklärung am 25. Oktober 2019 in elektronischer Form beim zuständigen Finanzamt ein. Die Abgabe der Bilanz 2018 erfolgte erneut in Papierform. Sie wies einen Jahresüberschuss der Klägerin in Höhe von … € auf.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2019 forderte der Beklagte die Klägerin unter Verweis auf § 5 b EStG, § 31 Körperschaftsteuergesetz (KStG) und § 150 Abs. 6 Abgabenordnung (AO) dazu auf, die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung für das Wirtschaftsjahr 2018 nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch zu übermitteln. Ein Verzicht auf die elektronische Übermittlung aufgrund des Vorliegens eines Härtefalles im Sinne des § 150 Abs. 8 AO käme nicht in Betracht, da ein solcher im Falle von Steuerpflichtigen, die sich eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe zur Erstellung ihrer Steuererklärung bedienten, regelmäßig ausgeschlossen sei.
Mit E-Mail vom 01. November 2019 übersandte die Klägerin die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung für das Wirtschaftsjahr 2018. Die Klägerin beantragte gleichzeitig, die Unterlagen auf diesem Weg einreichen zu können, da sie nur geringe Umsätze bzw. Gewinne erwirtschafte und die Schaffung einer Infrastruktur zur elektronischen Einreichung nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich sei. Mit weiterer E-Mail vom 01. November 2019 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie keinen Steuerberater beauftragt habe, sondern die Buchhaltung stets von ihrem Geschäftsführer erledigt würde.
Mit Schreiben vom 04. November 2019 teilte der Beklagte unter Verweis auf das Schreiben vom 29. Oktober 2019 mit, dass dem Antrag auf Verzicht zur elektronischen Abgabe der Steuerbilanz nicht entsprochen werden könne. Die Klägerin wurde erneut aufgefordert, den Jahresabschluss für das Wirtschaftsjahr 2018 elektronisch einzureichen.
Mit E-Mail vom 06. November 2019 führte die Klägerin erneut aus, dass sie sich nicht eines Steuerberaters bediene. Zudem würden die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 150 Abs. 8 AO vorliegen, da eine EDV für eine E-Bilanz der Klägerin nicht vorhanden sei Die Buchführungssoftware stamme aus dem Jahr 2008. Kenntnisse, um diese Daten für eine E-Bilanz entsprechend aufzubereiten, seien nicht vorhanden. Die Schaffung einer Schnittstelle zur Steuerverwaltung stünde zudem finanziell außerhalb jeden Verhältnisses.
Mit Bescheid vom 11. November 2019 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin vom 01. November 2019 ab. Zur Begründung führte er aus, dass eine Unzumutbarkeit aus persönlich Gründen bereits deshalb nicht angenommen werden könne, da aufgrund des Unternehmensgegenstandes der Klägerin, nämlich dem Betrieb von Internetplattformen, ein entsprechendes technisches Können vorausgesetzt werde. Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit sei auch nicht erkennbar, zu...