Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerliche Behandlung über online beziehbare digitale Inhalte als Waren- bzw. Sachgutscheine oder Einzweck-Gutscheine Behandlung bis zum 31.12.2018 Behandlung ab 01.01.2019

 

Leitsatz (amtlich)

Bis zum 31.12.2018 vertriebene Gutscheine über online beziehbare digitale Inhalte können als Waren- bzw. Sachgutscheine zu qualifizieren sein. Sie unterliegen dann bei einem inländischen Leistungsort gemäß § 3a Abs. 5 UStG der Anzahlungsbesteuerung nach 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 UStG.

Ab dem 01.01.2019 vertriebene Gutscheine über online beziehbare digitale Inhalte unterliegen der Gutscheinbesteuerung gemäß § 3 Abs. 13 - 15 UStG. Stehen nach den Gutscheinbedingungen der Ausführungsort der Leistung und die für die Umsätze geschuldete Steuer bereits bei Ausgabe des Gutscheins fest, dann handelt es sich nach § 3 Abs. 14 UStG um Einzweck-Gutscheine, welche gemäß § 3a Abs. 5 EStG bei einem inländischen Verbraucherwohnsitz der inländischen Besteuerung unterliegen. Einzweck-Gutscheine stellen im Gegensatz zu Mehrzweck-Gutscheinen im Sinne des § 3 Abs. 15 UStG einen selbständigen Besteuerungsgegenstand dar, welcher auf jeder Vertriebsstufe steuerbar ist.

Werden Gutscheine über digitale Inhalte mit einer Länderkennung herausgeben und sind die Endverbraucher nach den Nutzungsbedingungen des Onlineanbieters verpflichtet, bei der Einrichtung ihres Nutzerkontos ihr Wohnsitzland im Sinne des § 3a Abs. 5 UStG wahrheitsgemäß anzugeben, dann stehen der Ort der Leistung und die Besteuerung bereits bei Ausstellung des Gutscheins fest, so dass Sachgutscheine bzw. Einzweck-Gutscheine gemäß § 3 Abs. 14 UStG vorliegen. Dies gilt auch dann, wenn der Anbieter der digitalen Inhalte den tatsächlichen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthaltsort des Endverbrauchers im Sinne des § 3a Abs. 5 UStG nicht in einer Weise überprüft, dass falsche Angaben weitestgehend ausgeschlossen sind.

Die im internationalen Vertrieb digitaler Inhalte empirisch zu verzeichnenden Umgehungen der Umsatzbesteuerung und die daraus resultierenden Wettbewerbsverzerrungen sind nicht als strukturelles Vollzugsdefizit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu qualifizieren. Steuerliche Vollzugsmängel im Handel mit digitalen Inhalten führen für sich genommen noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm. Bei der Abgrenzung von Einzweck-Gutscheinen gemäß § 3 Abs. 14 UStG von Mehrzweck-Gutscheinen gemäß § 3 Abs. 15 UStG ist deshalb nicht entscheidend auf die rechtstatsächliche Möglichkeit falscher Angaben und/oder gezielter Steuerumgehungen abzustellen.

 

Normenkette

UStG § 3 Abs. 13-15, § 3a Abs. 5, § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 4

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 29.11.2022; Aktenzeichen XI R 11/21)

BFH (EuGH-Vorlage vom 03.11.2022; Aktenzeichen XI R 21/21)

BFH (Beschluss vom 03.11.2022; Aktenzeichen XI R 21/21)

BFH (Beschluss vom 16.08.2022; Aktenzeichen XI S 4/21 (AdV))

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Steuerbarkeit und inländische Steuerpflicht des Vertriebs von Guthabenkarten bzw. Codes für den Erwerb von digitalen Inhalten für das PlayStation Network, sogen. PSN Cards.

Unternehmensgegenstand der 2013 gegründeten Klägerin ist der Onlineverkauf von Gutscheinen und Downloadspielen. Im Streitzeitraum verkaufte sie unter anderem Guthabenkarten bzw. Gutscheincodes zum Aufladen von Nutzerkonten für das PlayStation Network. Herausgeber der Gutscheincodes ist die Fa. Sony Europe mit Sitz in London. Die Gutscheincodes ermöglichen dem Erwerber die Aufladung seines PlayStation Nutzerkontos mit einem näher bestimmten Nennwert in Euro. Nach der Kontoaufladung können vom Kontoinhaber im Playstation Store von Sony digitale Inhalte zu den dort aufgeführten Preisen erworben werden.

Die Klägerin betreibt einen Internetshop. Sie versendet die in ihrem Shop erworbenen PSN Codes rund um die Uhr innerhalb weniger Minuten nach Zahlungseingang per E-Mail. Die Guthabenkarten bzw. Codes werden von Sony Europe mit unterschiedlicher Länderkennung über verschiedene Zwischenhändler vertrieben. Für Kunden mit Wohnsitz bzw. gewöhnlichem Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland und einem deutschen PlayStation Nutzerkonto ist die Kennung "DE" vorgesehen. Im Internetshop der Klägerin ist hierzu ausgeführt:

"Sollten Sie sich entscheiden, PSN Guthaben aufladen zu wollen, müssen Sie sich im Vorfeld darüber informieren, in welchem Land Ihr PSN Konto registriert ist. So gilt bei PSN Cards eine strikte Ländertrennung, so dass Sie nur Guthaben aktivieren können, welches tatsächlich für das Land Ihres PSN Kontos bestimmt ist".

Ziffer 2. der auf der Seite www.playstation.com von Sony Europe niedergelegten "Nutzungsbedingungen für PSN-Gutscheincodes" bestimmt hierzu: "Um einen Gutscheincode einzulösen, wird Folgendes benötigt: (i) die angegebene Hardware; (ii) ein Konto für das PlayStation Network, das in dem Land registriert ist, für das der Gutscheincode gilt; und (iii) eine Internetverbindung … ". Sony Europe hat des ...

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