Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG bei Befreiung von Sozialversicherungsbeiträgen
Leitsatz (redaktionell)
Die Kürzung des Vorwegabzugs für Vorsorgeaufwendungen ist nur in dem Maße gerechtfertigt, in dem der Arbeitgeber (steuerwirksam) Leistungen für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers erbringt.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2, § 3 Nr. 62, § 19 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger (Kl.) begehren mit ihrer Klage die steuerliche Berücksichtigung weiterer Vorsorgeaufwendungen, Kinderfreibeträge sowie Haushaltsfreibeträge.
Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die verheirateten Kl. werden zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Zum Haushalt der Kl. gehören drei minderjährige Kinder. Außerdem wird ein Kinderfreibetrag für ein weiteres Kind des Kl. begehrt. Der Kl. ist freiberuflich tätig. Die Klin. erzielte im Wesentlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Für das Streitjahr wurden folgende Besteuerungsgrundlagen erklärt:
Einkünfte aus selbständiger Arbeit Kl. DM Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Klin. DM Sonderausgaben Vorsorgeaufwendungen: Lebensversicherung, Kranken- und Pflegeversicherung, gesamt: 34.009 DM
Auf der Lohnsteuerkarte der Klin. sind folgende Bruttoarbeitslöhne und Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag eingetragen:
A 4 x DM bzw. 2 y DM, B x DM bzw. y DM Beschäftigungszeitraum jeweils 1. Januar bis 31. Dezember 1995.
Die Besteuerung wurde nach den erklärten Angaben durchgeführt. Gegen die Kl. wurden nach einem zu versteuernden Einkommen von ... DM ... DM ESt (Splittingtabelle) festgesetzt. Dabei wurden bezüglich der erklärten beschränkt abziehbaren Sonderausgaben von 34.009 DM im Rahmen der Höchstbeträge 12.781 DM berücksichtigt. Außerdem wurden drei Kinderfreibeträge zu 4.104 DM = 12.312 DM und ein Kinderfreibetrag zu 2.052 DM steuermindernd berücksichtigt (s. im Einzelnen ESt-Bescheid 1995 vom 15. Oktober 1997, nach § 165 Abs. 1 Abgabenordnung - AO - teilweise vorläufig hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge, des Arbeitnehmerpauschbetrages, der Nichtabziehbarkeit privater Schuldzinsen und der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen, gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung).
Der dagegen von den Kl. erhobene und nicht begründete Einspruch wurde zurückgewiesen (s. im Einzelnen Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 1999).
Mit der dagegen erhobenen Klage begehren die Kl. die Berücksichtigung der geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen, weiterer Kinderfreibeträge und eines Haushaltsfreibetrages. Zur Begründung tragen sie vor: Die angefochtenen Verwaltungsakte seien rechtswidrig und verletzten die Kl. in ihren Rechten. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Berücksichtigung der Vorsorgeaufwendungen und die Höhe der Kinderfreibeträge seien verfassungswidrig, insbesondere würden sie gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen. Bezüglich der Vorsorgeaufwendungen sei im Vorjahr 1994 trotz niedrigerer Beiträge ein um 1.185 DM höherer Betrag als 1995 berücksichtigt worden. Gleichzeitig sei die Pflegepflichtversicherung eingeführt worden. Diese Tatsache habe zu deutlich höheren Pflichtversicherungsbeiträgen geführt. Die Kinderfreibeträge hätten sich im Jahr 1995 gegenüber 1994 nicht geändert. Bezüglich der Höchstbetragsgrenzen bei Vorsorgeaufwendungen sei die Kinderkomponente entfallen. Die damit einhergehende Erhöhung des Kindergeldes habe diese Minderung der berücksichtigungsfähigen Vorsorgeaufwendungen nicht kompensiert. Diese Tatsache stelle in verfassungswidriger Weise, insbesondere wegen Verstoßes gegen den Schutz von Ehe und Familie, eine zusätzliche Belastung von Familien mit Kindern dar. Auf jeden Fall sei ein Verfassungsverstoß dadurch eingetreten, dass die Beitragssätze für die Pflichtversicherung wegen der Zahlung der Pflegeversicherung nicht angehoben worden seien. Die Reduzierung der Höchstbeträge sei deshalb unzulässig. Der Gesetzgeber berücksichtige nicht ansatzweise, dass eine Familienvorsorge langfristig in die Wege geleitet und geplant werden müsse und nicht kurzzeitig auf gängige Leistungen anpassbar sei. Die Kinderfreibeträge seien auch unter Einbeziehung des Kindergeldes nicht ausreichend, um den Lebensbedarf der Kinder zu decken. Darin liege darüber hinaus ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Im Übrigen sei auf Folgendes hinzuweisen: Nach den Ausführungsbestimmungen zum Bundessozialhilfegesetz werde pro Kind ein Bedarf von monatlich 450 DM, jährlich 5.400 DM zugebilligt. Dieser Betrag sei als Existenzminimum anzusehen. Die Kinder, die von Erwerbstätigen versorgt würden, erhielten vom Staat weniger zugebilligt als der Staat aus seinen Mitteln den nicht leistungsfähigen oder leistungswilligen Eltern aktiv gewähre. Dieser Umstand stelle eine mit dem Gleichheitsprinzip nicht zu vereinbarende Schlechterstellung der Kinder ...