rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bei mehrfacher fehlerhafter Auswertung eines Grundlagenbescheides

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Änderung eines Folgebescheides ist auch dann noch möglich, wenn das zuständige Finanzamt einen Grundlagenbescheid übersehen hat oder dessen Inhalt nicht oder in nicht richtiger Weise in den Folgebescheid übernommen hat.

 

Normenkette

AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 171 Abs. 10

 

Tatbestand

Der Kläger (Kl.) wendet sich mit seiner Klage gegen die vom Finanzamt (FA) durchgeführte Änderung des Einkommensteuer(ESt)-Bescheides 1983 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO). Nach Ansicht des Kl. konnte das FA im Rahmen der Änderungsvorschrift des § 175 AO nicht die in den vorangegangenen Bescheiden enthaltene offenbare Unrichtigkeit berichtigen. Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kl. war im Streitjahr selbstständig tätig. Er erzielte außerdem aus verschiedenen Beteiligungen Einkünfte aus Gewerbebetrieb, u. a. aus der Beteiligung am ... Fonds. Die Gesellschaft wurde beim Finanzamt ... geführt. In der ESt-Erklärung 1983 erklärte er aus der Beteiligung am Fonds Einkünfte in Höhe von 12.066 DM. Die ESt-Festsetzung 1983 wurde ziffernmäßig nach den erklärten Einkünften durchgeführt. Bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb wurde allerdings anstelle des positiv erklärten Betrages von 12.066 DM aus der Beteiligung Fonds ein Verlust in Höhe von 12.066 DM berücksichtigt (siehe dazu ESt-Bescheid 1983 vom 27. Juni 1985). In der Folgezeit wurden aufgrund von Mitteilungen über Beteiligungen des Kl. an diversen Gesellschaften (Einkünfte aus Gewerbebetrieb bzw. Vermietung und Verpachtung) diverse Änderungen durchgeführt. Dabei ging das FA jeweils abweichend von dem erklärten positiven Betrag von einem Verlust an der Beteiligung am Fonds aus. Im Einzelnen wurden für 1983 folgende geänderte Veranlagungen durchgeführt (und zwar jeweils im Wege der sog. Nettoberichtigung). Im Einzelnen handelte es sich um folgende geänderte Bescheide:

ESt-Bescheid 1983 vom 5. August 1985, ESt-Bescheid 1983 vom 12. September 1985, ESt-Bescheid 1983 vom 31. Juli 1987 Einkünfte aus Gewerbebetrieb ./. 607 DM. Dieser Betrag wurde wie folgt ermittelt: Beteiligung ... lfd. Gewinn 4.981 DM, Veräußerungsgewinn 7.233 DM, Fonds ./. 12.068 DM, ... KG ./. 755 DM. Eine weitere Änderung erfolgte am 1. Juli 1992.

Am 31. Oktober 1985 wurde dem FA mitgeteilt, dass der Anteil des auf den Kl. entfallenden Gewinns aus seiner Beteiligung am Fonds für 1983 12.066,43 DM beträgt. Die Mitteilung enthält den Vermerk „wie erklärt“.

Durch Mitteilung vom 27. Januar 1995 des Finanzamts wurde dem FA angezeigt, dass durch geänderten Feststellungsbescheid vom 27. Januar 1995 die Einkünfte des Kl. aus der Beteiligung am Fonds 12.012,66 DM betragen. Daraufhin führte das FA für 1983 eine geänderte ESt-Festsetzung gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO durch. Darin wurden folgende Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfasst: Beteiligung ...: laufender Gewinn 4.981 DM, Veräußerungsgewinn 4.089 DM, Beteiligung Fonds lt. Mitteilung vom 27. Januar 1995 + 12.012 DM (bisher ./. 12.066 DM), Beteiligung ... KG ./. 528 DM, Einkünfte aus Gewerbebetrieb 20.554 DM. In einer Anlage zum Bescheid wurden die zu Grunde gelegten Einkünfte aus Gewerbebetrieb erläutert.

Dagegen erhob der Kl. Einspruch und führte zur Begründung aus, dass das FA bei den bisherigen Steuerfestsetzungen anstelle eines Gewinns einen Verlust aus der Beteiligung am Fonds in Höhe von 12.066 DM berücksichtigt habe. Diesen Fehler habe es nunmehr im Rahmen der Auswertung der für den Fonds ergangenen berichtigten Gewinnfeststellung 1983 vom 27. Januar 1995 korrigiert. Anstelle einer Gewinnminderung von rund 54 DM (bisher 12.066 DM, nunmehr 12.012 DM) habe das FA nunmehr eine Gewinnerhöhung von 24.078 DM vorgenommen. Eine solche Korrektur sei nicht mehr möglich. Der ursprüngliche ESt-Bescheid 1983 und der darin enthaltene Bearbeitungsfehler seien verjährt.

Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das FA führte u. a. aus:

Der ESt-Bescheid 1983 sei aufgrund einer Mitteilung über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 27. Januar 1995 zu recht gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert worden. Wortlaut und Zweck dieser Regelung würden es gebieten, dass auch Fehler, die bei der Auswertung des Grundlagenbescheides im Folgebescheid unterlaufen seien, nachträglich richtig zu stellen seien. Die Bindungswirkung beinhalte, dass das für den Erlass eines Folgebescheides zuständige Finanzamt verpflichtet sei, die Folgerungen aus dem Grundlagenbescheid zu ziehen. Soweit und solange in offener Feststellungsfrist ein Feststellungsbescheid, der für die Festsetzung einer Steuer bindend sei, noch zulässig ergehen könne, sei der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Folgesteuer im Ausmaß der Bindung dieses Grundlagenbescheides gehemmt; sie werde gemäß § 171 Abs. 10 AO auf die Frist von einem Jahr nach Bekanntgabe des Grundlagenbesche...

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