Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anwendung des für den Fall einer Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge geltende Wahlrecht zwischen der sofortigen Versteuerung und der nachgelagerten Besteuerung bei Zufluss von Rentenzahlungen in Fällen der Betriebsaufgabe
Leitsatz (amtlich)
Das für den Fall einer Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge geltende Wahlrecht zwischen der sofortigen Versteuerung und der nachgelagerten Besteuerung bei Zufluss der Rentenzahlungen (R 16 Abs. 11 EStR) findet in den Fällen der Betriebsaufgabe keine Anwendung.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1, 3, § 24 Nr. 1, § 34 Abs. 3; EStR R 16 Abs. 11
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin aufgrund der Veräußerung ihres handwerklichen Betriebes gegen Zahlung einer lebenslangen Rente auch dann das Wahlrecht zur nachträglichen Besteuerung der Renteneinnahmen zusteht, wenn das Betriebsgebäude in das Privatvermögen der Klägerin überführt wird.
Die am xx.xx.1961 geborene Klägerin betrieb bis Ende 2013 in einem Anbau zu ihrem Einfamilienhaus in C einen handwerklichen Betrieb. Da sie krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage war, den Betrieb fortzuführen, stellte sie die betriebliche Tätigkeit Ende 2013 ein. Ab dem 1. Januar 2013 bezog die Klägerin Renten wegen Berufsunfähigkeit aus privaten Versicherungen. Die Renten wegen Berufsunfähigkeit setzen nach den Versicherungsbedingungen voraus, dass die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit zu mindestens 50 % nicht mehr ausüben kann.
Die Klägerin veräußerte den Geschäftsbetrieb einschließlich des Anlagevermögens, der Kunden- und Lieferantenbeziehungen, der Auftragsbestände, der Lieferverträge sowie des Waren- und Materiallagers gegen eine ab Januar 2014 zu zahlende lebenslange Rente in Höhe von monatlich 3.000 € an die A-GmbH. Ausgenommen von der Veräußerung waren das zum Anlagevermögen gehörende Betriebsgrundstück mit aufstehenden Gebäuden und fest installierten Betriebsvorrichtungen sowie weitere in § 1 Abs. 2 des Unternehmenskaufvertrags bezeichnete Wirtschaftsgüter, die nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörten. Übertragungsstichtag war der 2. Januar 2014.
Die von der Klägerin veräußerten Wirtschaftsgüter wurden von der Klägerin bis zum Übertragungsstichtag auf dem Betriebsgrundstück gelagert und am 2. Januar 2014 an die A-GmbH übergeben. Für die von der Veräußerung ausgenommenen Wirtschaftsgüter,die von der Klägerin in das Privatvermögen überführt wurden, ermittelte die Klägerin einen - zwischen den Beteiligten unstreitigen - Entnahmegewinn in Höhe von 17.680,60 €. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass lediglich dieser Entnahmegewinn der sofortigen Besteuerung unterliege und ihr im Hinblick auf die monatlichen Rentenzahlungen das Wahlrecht zur nachgelagerten Besteuerung gemäß R 16.11 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) zustehe.
Der Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, dass das Wahlrecht zur nachgelagerten Besteuerung gemäß R 16.11 EStR nur bei einer Betriebsveräußerung, nicht hingegen bei der im Streitfall vorliegenden Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anwendbar sei. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung ermittelte der Beklagte einen Aufgabegewinn in Höhe von 542.195 €, dem folgende Beträge zugrunde lagen:
Entnahmegewinn |
17.680,60 € |
+ Barwert der Rente |
552.132,00 € |
- Buchwert der veräußerten Wirtschaftsgüter |
14.293,50 € |
- Rückbauaufwendungen |
13.323,71 € |
= Aufgabegewinn |
542.195,39 € |
Der Beklagte berücksichtigte den Aufgabegewinn zunächst im Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 20. Februar 2015. Auf den Einspruch der Klägerin setzte der Beklagte die festgesetzte Einkommensteuer für 2013 mit Einspruchsentscheidung vom 23. März 2017 herab, indem er den Aufgabegewinn auf den Antrag der Klägerin vom 10. Januar 2017 dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG unterwarf. Im Streitfall seien die Voraussetzungen einer Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG erfüllt, da die Klägerin die wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang teilweise an die A-GmbH veräußert und das Betriebsgrundstück mit den fest installierten Betriebsvorrichtungen in das Privatvermögen überführt habe. Bei dem betrieblich genutzten Grundstücksteil nebst Werkstatt, Gebäude und Garagen habe es sich nach der insoweit maßgeblichen funktionalen Betrachtungsweise um eine wesentliche Betriebsgrundlage des handwerklichen Betriebes gehandelt. Das Betriebsgrundstück habe für die Führung des handwerklichen Betriebes ein besonderes wirtschaftliches Gewicht gehabt, da es aufgrund der fest installierten Betriebsvorrichtungen zwingend für die Betriebsführung erforderlich gewesen sei. Das Grundstück sei zudem durch seine Lage am Ortsrand auf den handwerklichen Betrieb zugeschnitten gewesen. Die Klägerin habe über mehrere Jahre hinweg auf dem Grundstück ihr Gewerbe ausgeübt. Die Eigenschaft als wesentliche Betriebsgrundlage werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass de...