Revision eingelegt (BFH III R 20/24)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Viermonatsfrist zwischen zwei Ausbildungsabschnitten gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG gilt auch in der Corona-Pandemie
Leitsatz (amtlich)
Eine analoge Anwendung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG auf Fälle, in denen der Zeitraum zwischen zwei Ausbildungsabschnitten aufgrund der Corona-Pandemie 16 Monate beträgt, scheidet mangels einer planwidrigen Regelungslücke aus.
Soweit in Folge der Corona-Pandemie und mithin aus objektiven Gründen eine Ausbildung nicht fortgesetzt werden kann, kann ein Anspruch auf Kindergeld gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG entsprechend der Rechtsprechung zur Unterbrechung der Ausbildung infolge Krankheit und Mutterschutz gegeben sein.
Die Ausbildungswilligkeit i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG ist hingegen nicht nachgewiesen, wenn ein 21-jähriger, der seine Ausbildung als Hotelfachmann aus eigener Entscheidung während der Corona-Pandemie unterbrochen hat, nicht bei der Agentur für Arbeit als ausbildungsplatzsuchend gemeldet ist und sich auch nicht ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, weil er aufgrund der Corona-Pandemie keine Chancen für eine Fortsetzung seiner Ausbildung sieht.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 70 Abs. 2; AO § 37 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist die Rückforderung von Kindergeld für den Zeitraum vom Mai 2021 bis einschließlich Mai 2022.
Der Kläger ist Vater des Kindes A, geboren am 25.12.1999.
Mit Bescheid vom 14.03.2023 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind A gegenüber dem Kläger nach § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf. Zur Begründung führte sie aus, das Kind A könne nicht mehr berücksichtigt werden, weil die Anspruchsvoraussetzungen nach § 32 Abs. 4 EStG nicht erfüllt seien. Mit demselben Bescheid forderte die Beklagte für den Zeitraum von Mai 2021 bis einschließlich Mai 2022 gezahltes Kindergeld in Höhe von 2.847,- € gemäß § 37 Absatz 2 der Abgabenordnung (AO) zurück.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 04.04.2023 Einspruch ein. Den Einspruch begründete er im Wesentlichen damit, dass das Kind A seine begonnene Ausbildung zum Hotelfachmann aufgrund der Corona-Pandemie zum 30.04.2021 habe abbrechen müssen. In der Folge habe A sich wegen der pandemiebedingten Einschränkungen nicht um einen Ausbildungsplatz bemüht, sich aber informiert, wie er die Zeit bis zur Wiederaufnahme der Ausbildung überbrücken könne. Er habe sich arbeitssuchend gemeldet und dann eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz angenommen.
Die Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 06.06.2023 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Berücksichtigungsvoraussetzungen nach § 32 Abs. 4 EStG hätten durchgehend nicht vorgelegen bzw. seien nicht nachgewiesen worden.
Mit Schriftsatz vom 06.07.2023 hat der Kläger Klage beim Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht erhoben. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, A habe sich seit dem 01.08.2019 in einem Ausbildungsverhältnis befunden, welches ausschließlich auf Betreiben des Ausbildungsbetriebes coronabedingt mit Aufhebungsvertrag vom 01.03.2021 zum 30.04.2021 beendet worden sei. Eine ordentliche Kündigung sei gesetzlich nicht zulässig gewesen. Im Hinblick auf die coronabedingten Kontaktbeschränkungen habe es keinen Sinn gemacht, im Anschluss an den Aufhebungsvertrag in der gleichen Branche einen Ausbildungsbetrieb zu suchen, der die Ausbildung fortgesetzt hätte. Da bis zum Ausbildungsstart zum 01.08.2021 nach wie vor die Coronaeinschränkungen bestanden hätten, habe A keine reelle Chance für eine Ausbildungsfortsetzung gesehen, habe aber nach wie vor die Absicht gehabt, eine Erstausbildung zu absolvieren und zu beenden. Weil nach As Einschätzung erst zum 01.08.2022 eine realistische Chance für einen erneuten Ausbildungsbeginn bestanden habe, habe er sich gezwungen gesehen, nach einer Überbrückung zu suchen. Er habe sich am 28.02.2021 arbeitssuchend gemeldet. In der Zeit vom 01.05.2021 bis zum 31.05.2021 habe er Arbeitslosengeld erhalten. Mit Wirkung ab dem 16.08.2021 habe er eine Aushilfstätigkeit in einem Hotelbetrieb in der Schweiz antreten können, weil in der Schweiz wesentlich geringere Anforderungen an den Gesundheitsschutz bestanden hätten. Mangels Aufenthaltsgenehmigung habe er seine Ausbildung in der Schweiz nicht fortsetzen oder neu beginnen können. Im Januar 2022 sei er wegen des Ablaufs seiner Aufenthaltsgenehmigung nach Deutschland zurückgekehrt. Dort sei es ihm gelungen, zum 01.08.2022 einen Ausbildungsplatz in einem Dachdeckerbetrieb anzutreten. Der Ausbildungsvertrag datiere auf den 12.07.2022. Nach einem Wechsel zu einem anderen Dachdeckereibetrieb ab 13.03.2023 werde die Ausbildung am 31.07.2025 beendet sein. Den Zeitraum vom 01.02.2022 bis Ende Juni 2022 habe A mit einem Aushilfsjob in einem Restaurant überbrückt. Der Sohn A sei stets ...