Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Aufsichtsklage. einstweiliger Rechtsschutz. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem § 86b SGG. Krankenversicherung. Wechsel der Aufsichtsbehörde. Neubeurteilung einer Satzungsregelung
Leitsatz (amtlich)
Zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Anordnung der Streichung einer durch eine andere, vormals zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigte Satzungsregelung.
Normenkette
SGB V § 53 Abs. 4, § 195 Abs. 2 Sätze 1-2, Abs. 3, § 194; SGG § 86a Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 2, § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 29 Abs. 2 Nr. 2; RVO § 326
Tenor
Auf den Antrag der Antragstellerin wird die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 14. November 2016 (L 5 KR 148/16 KL) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Oktober 2016 mit der Maßgabe angeordnet, dass die Antragstellerin keine neuen Mitglieder in den hier streitigen Wahltarif nach § 16f ihrer Satzung aufnimmt und keine entsprechende Akquise mehr insoweit betreibt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 14. November 2016 gegen die Anordnung der Antragsgegnerin vom 19. Oktober 2016 zur Streichung von § 16f “Tarif nach § 53 Abs. 4 SGB V Kostenerstattung bei Zahnersatz„.
Die Antragstellerin, eine gesetzliche Krankenkasse mit Sitz in Lübeck, ergänzte im Jahre 2007 ihre Satzung durch Einführung eines Wahltarifs nach § 16f dahingehend, dass Versicherte für sich einen Tarif für die Erstattung von Kosten bei medizinisch notwendigem Zahnersatz wählen konnten. Mit Bescheid vom 6. September 2007 genehmigte das damals aufsichtsführende Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holstein die entsprechende Satzungsänderung, ebenso wie nachfolgende geringfügige Änderungen des Wahltarifs. Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 15. März 2015 (B 1 A 10/13 R) entschieden hatte, dass es sich bei der Antragstellerin um eine bundesunmittelbare Krankenkasse handelt, welche der Aufsicht der Antragsgegnerin unterliegt, forderte Letztere die Antragstellerin durch Schreiben im Februar und März 2016 dazu auf, die Regelung des § 16f der Satzung bei nächster Möglichkeit ersatzlos zu streichen und verwies zur Begründung auf das rechtskräftige Urteil des beschließenden Senats vom 16. Juli 2008 (L 5 KR 36/08). In diesem Urteil hatte der Senat die Klage einer anderen Krankenkasse, die sich gegen die Ablehnung der Genehmigung einer entsprechenden Satzungsregelung durch die Antragsgegnerin richtete, abgewiesen. Dies lehnte die Antragstellerin ab und wies auf die ihr von der Landesaufsicht erteilte Genehmigung sowie auf ein schützenswertes Vertrauen ihrer Versicherten an dem Fortbestand der Satzungsregelung hin. Dem entgegnete die Antragsgegnerin, dass sie an Genehmigungen der Landesaufsicht nicht gebunden sei und räumte der Antragstellerin mit Hinweis auf § 195 Abs. 2 SGB V Gelegenheit zur Stellungnahme ein. Die Antragstellerin lehnte weiterhin eine Streichung bzw. Ergänzung der streitgegenständlichen Satzungsregelung ab, woraufhin die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 8. August 2016 ein Verfahren nach § 195 Abs. 2 und 3 SGB V einleitete. Eine Änderung ihrer Satzung nahm die Antragstellerin weiterhin nicht vor, sondern wandte sich mit Schreiben vom 18. August 2016 an das Bundesministerium für Gesundheit mit der Bitte um Prüfung des Sachverhalts.
Mit Bescheid vom 19. Oktober 2016 ordnete die Antragsgegnerin der Antragstellerin gegenüber an,
im Termin der nächsten Verwaltungsratssitzung am 15. Dezember 2016 in der Satzung der IKK Nord vom 1. Januar 2006 in der Fassung des 61. Nachtrags in Abschnitt 4 “Beiträge„ § 16f “Tarif nach § 53 Abs. 4 SGB V Kostenerstattung bei Zahnersatz„ mit Wirkung zum 1. Januar 2017 ersatzlos zu streichen.
Zur Begründung führte sie aus: In rechtskräftigen Urteilen hätten das LSG Schleswig-Holstein sowie das LSG Hamburg (22. April 2010 - L 1 KR 1/09 KL) die Rechtswidrigkeit der streitigen Satzungsregelung festgestellt und damit die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin bestätigt. Als nunmehr zuständige Behörde, die an vorherige Genehmigungen nicht gebunden sei, habe sie die Antragstellerin aufgefordert, die streitgegenständliche Satzungsregelung zu streichen. Vertrauensschutz der davon betroffenen ca. 625 Wahltarifteilnehmer bestehe nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur während des laufenden Leistungsbezugs. Ansonsten sei der Satzungsgeber jederzeit dazu ermächtigt bzw. verpflichtet, das Satzungsrecht für die Zukunft zu ändern. Dem Kompromissvorschlag der Antragstellerin in Form einer unbefristeten Besitzschutzregelung für eingeschriebene Versicherte könne die Antragsgegnerin nach Würdigung der Gesamtumstände nicht entsprechen. Die Rechtslage sei hier eindeutig. Die Satzungsregelung stehe nicht im Einklang mit geltenden Rechtsvorschriften und sei zu streichen. Opportunität stehe der Antragsgegnerin als...