Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Ein Schuldzinsenabzug nach einer Betriebsaufgabe kommt nur in Betracht, wenn der Unternehmer die betriebliche Schuldentilgung vorrangig betrieben hat. Bestanden die Schulden aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen weiter, rechtfertigt dies keinen weiteren Abzug.
Sachverhalt
Eine Ärztin gab ihre freiberufliche Tätigkeit zum 31.8.2003 auf. Für die Aufgabe ihrer Tätigkeit erhielt sie Zahlungen von mehr als 200.000 EUR. Zu diesem Zeitpunkt valutierte noch ein betriebliches Darlehen mit 108.000 EUR mit regulärem Laufzeitende in 2009. Die Bank bot am 23.9.2003 eine vorzeitige Darlehenstilgung gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung an. Die Ärztin nahm dieses Angebot jedoch nicht an, da ihr der geforderte Betrag zu hoch erschien. Schließlich einigte sie sich mit ihrer Bank im Folgejahr auf die Ablösung gegen eine niedrigere Vorfälligkeitsentschädigung.
Entscheidung
Ob betriebliche Schuldzinsen auch nach einer Betriebsaufgabe noch abziehbar sind, richtet sich nach der Frage, ob die zugrundeliegende Verbindlichkeit durch den Veräußerungspreis bzw. die Verwertung von zurückbehaltenen aktiven Wirtschaftsgütern hätte beglichen werden können. Ein Ansatz als Betriebsausgabe kommt daher nur insoweit in Betracht, als keine betrieblichen Mittel zur Schuldentilgung eingesetzt werden konnten. Eine Ausnahme von diesem sog. Grundsatz des Vorrangs der Schuldenberichtigung rechtfertigen jedoch Hindernisse, die einer Verwertung des zurückbehaltenen Aktivvermögens entgegenstehen und ihren Grund in der ursprünglichen betrieblichen Sphäre haben.
Ein solches Hindernis bestand im Urteilsfall zunächst, da die Ärztin im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe noch nicht zur Darlehensrückführung berechtigt war. Dieses Hindernis entfiel erst, als die Bank im September ihr Einverständnis zur vollumfänglichen Darlehensrückführung gab. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Zinsaufwendungen daher abziehbar. Für die folgenden Monate ist ein Abzug jedoch nicht mehr möglich, da die Ärztin die Darlehensrückzahlung aus wirtschaftlichen Überlegungen hinausgezögert hatte und die Minderung des Vorfälligkeitsentgelts erreichen wollte.
Hinweis
Würden wirtschaftliche Überlegungen einen weiteren Schuldzinsenabzug ermöglichen, so könnte der Unternehmer auch von einer Verwertung von Aktivvermögen absehen und sich dabei auf einen aktuellen Preisverfall am Markt berufen. Das FG musste daher eine klare Trennlinie ziehen.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 16.03.2010, 12 K 10235/07