Rz. 10
Nach § 88 Abs. 1 S. 1 AO hat die Finanzbehörde den steuerlich relevanten Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Zweck des Untersuchungs- bzw. Amtsermittlungsgrundsatzes und Ziel der Ermittlungen ist im Grundsatz die möglichst vollständige Aufklärung des Sachverhalts.
2.1.1 Sachverhalt
Rz. 11
Der von der Finanzbehörde zu ermittelnde Sachverhalt umfasst alle tatsächlichen Verhältnisse, die Merkmal oder Bestandteil eines steuergesetzlichen Tatbestands sind. Er bedarf dementsprechend nur insoweit der Aufklärung, wie er steuerlich relevant ist (Rz. 19).
Die Kenntnis des anzuwendenden Rechtssatzes (die Rechtsfindung) ist damit Voraussetzung und nicht Gegenstand der Untersuchung. Der Sachverhaltsbegriff umschreibt tatsächliche Verhältnisse. Dies sind Tatsachen und die einen Sachverhalt ausfüllenden Erfahrungssätze.
Rz. 12
Tatsachen sind alle Vorgänge, die sinnlich wahrnehmbar und damit einer Nachprüfung durch Dritte zugänglich sind. Hierzu zählen zum einen alle äußeren Vorgänge, Ereignisse und Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart. Zum anderen werden aber auch alle geistigen, im Inneren einer Person stattfindenden Vorgänge (z. B. Kenntnisse, Absichten, Vorsätze oder Motive), die ein Dritter nur über die Aussage des Betroffenen erschließen kann, erfasst. Auch geläufige Rechtsbegriffe (z. B. Kauf, Besitz, Eigentum) können Tatsachen i. d. S. sein, wenn die Verkehrsauffassung über ihre Bedeutung und die objektiv rechtlich durch sie umschriebenen tatsächlichen Verhältnisse übereinstimmen. Zu den Tatsachen gehören schließlich auch Indizien. Deren Vorliegen begründet zwar selbst noch keinen Tatbestand. Sie lassen aber auf die für die Besteuerung maßgeblichen inneren Tatsachen schließen. Indizien sind insbesondere in Schätzungsfällen von Bedeutung.
Rz. 13
Ist ein unter ausländischem Recht geschlossener Vertrag im Rahmen deutscher Steuerrechtsanwendung auszulegen, ist auch die Feststellung und Auslegung ausländischen Rechts als Tatsachenfrage zu behandeln. Dementsprechend ist die Anwendung und Auslegung ausländischen Rechts auch einer Beweiserhebung – etwa durch Gutachten – zugänglich.
Rz. 14 einstweilen frei
2.1.2 Amtsermittlungsgrundsatz
Rz. 15
Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Der Amtsermittlungs- bzw. Untersuchungsgrundsatz beinhaltet die Verpflichtung der Verwaltung, die entscheidungserheblichen Tatsachen ohne Rücksicht auf Vortrag, Verhalten oder Beweisangebote der Beteiligten selbst zu erforschen und deren Wahrheit festzustellen. Die Geltung des in § 88 Abs. 1 S. 1 AO fixierten Untersuchungsgrundsatzes im Besteuerungsverfahren ist verfassungsrechtlich geboten und als Zielvorgabe des Vollzugsauftrags der Steuerverwaltung adäquater Verfahrenszweck, weil die finanzbehördlichen Aufgaben im besonderen öffentlichen Interesse an einer richtigen Entscheidung im Besteuerungsverfahren erfüllt werden.
Rz. 16 einstweilen frei
Rz. 17
Die Untersuchungspflicht bezieht sich auf alle steuerlichen Sachverhalte, die gem. § 1 AO dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfallen. Sie gilt damit auch für Auslandssachverhalte, die eine inländische Steuerpflicht auslösen können. Da die Verwirklichung des Besteuerungsrechts aber Wahrnehmung von grundsätzlich auf das Staatsgebiet beschränkter Hoheitsgewalt ist, besteht hier ein Bruch zwischen Verwaltungsauftrag und Verwaltungskönnen. Bei Auslandssachverhalten sind deshalb geringere Anforderungen an die Ermittlungspflicht des FA zu stellen. Hier kommt den Mitwirkungspflichten des Stpfl. erhöhte Bedeutung zu.