Rz. 98
Einem an § 21a FVG angelehnten Zusammenspiel zwischen den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder obliegt es nach § 88 Abs. 3 S. 1 AO, die entsprechenden Regelungen zu erarbeiten.
Rz. 99
Die auf die Einzelfallentscheidung zugeschnittenen Regelungen in Abs. 1 und 2 wurden damit um eine Regelung ergänzt, die eine gruppenbezogene Entscheidung über Art und Umfang der Ermittlungen ermöglicht. Dies kommt in Betracht, wenn eine Reihe von Steuerfällen sich bei den maßgebenden Besteuerungsmerkmalen in einer Weise ähneln, dass sie als zu einer Gruppe gehörig angesehen werden können. Erforderlich ist weiter, dass die steuerlichen Folgen bei allen Gruppenmitgliedern identisch sind. Als zusätzlicher Anwendungsfall ist die Verarbeitung erhobener oder erhaltener Daten aus ausländischen Mitteilungsverfahren sowie Daten i. S. d. § 93c AO erfasst.
4.1.1 Gewährleistung eines zeitnahen und gleichmäßigen Gesetzesvollzugs
Rz. 100
Die Erteilung allgemeiner Weisungen dient nach § 88 Abs. 3 S. 1 1. Halbs. AO der Gewährleistung eines zeitnahen und gleichmäßigen Vollzugs der Steuergesetze. Dies nimmt grundlegende Aufgabenstellungen der Steuerverwaltung in Bezug. Zugleich berücksichtigt diese Zweckbestimmung als Weisungszweck die personellen und sachlichen Kapazitäten der Finanzbehörden.
Da in der öffentlichen und politischen Wahrnehmung vor der Einführung des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens in Teilbereichen ein auf einzelne Länder bezogenes Vollzugsdefizit drohte, ist es im Interesse dieser Zielkomponenten, durch ein gruppenbezogenes Weisungsrecht bestimmte risikoarme Bereiche von der Einzelfallprüfung auszunehmen bzw. insoweit Aufgriffsgrenzen festzulegen, um die Verwaltungskapazitäten zielgerichteter zu nutzen.
4.1.2 Bestimmte oder bestimmbare Fallgruppen
Rz. 101
Die Weisungsberechtigung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder bezieht sich auf bestimmte und bestimmbare Fallgruppen. "Bestimmt" sind in der Weisung konkret benannte Fallgruppen, während für die "Bestimmbarkeit" eine abstrakte Bezeichnung und Zuordnbarkeit zur Fallgruppe ausreicht. Die Weisungen können sich dabei etwa auf bestimmte oder bestimmbare Risikogruppen oder auf spezifische Prüfungsschwerpunkte beziehen.
4.1.3 Weisungen über Art und Umfang der Ermittlungen
Rz. 102
Wenn sich eine Reihe von Steuerfällen bei den maßgebenden Besteuerungsmerkmalen in einer Weise ähneln, dass sich darauf bezogen gruppenbezogene Prüfvorgaben ableiten lassen, die bei allen Gruppenmitgliedern weitgehend identische Folgen hervorrufen (Rz. 99), lässt sich daraus eine allgemeine – gleich wirkende – Weisung über Art und Umfang der Ermittlungen herleiten. Die Beschränkung der Ermittlungen in diesen Fallgruppen dient der Herausnahme von nach Art und Umfang risikoarmen Bereichen aus der arbeitsaufwendigen Einzelfallprüfung.
4.1.4 Weisungen zur Verarbeitung der erhobenen und erfassten Daten
Rz. 103
Die Weisungen können sich auch auf die Verarbeitung erhobener oder erfasster Daten beziehen. Als Fallgruppen kommen hier z. B. ausländische Kontrollmitteilungen, aber auch Daten i. S. d. § 93c AO in Betracht.
Rz. 104
Der Begriff der Verarbeitung personenbezogener Daten ist datenschutzrechtlich in Art. 4 Nr. 2 DSGVO legal definiert. Danach ist Verarbeitung jeder mithilfe automatisierter Daten ausgeführte Vorgang. Dies umfasst das Erheben (Rz. 105), das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung der Daten.
Rz. 105
Die Änderung des Begriffs der "erhaltenen" in den der "erhobenen" Daten mit Wirkung vom 25.5.2018 stellt inhaltlich auf einen umfassenderen Begriff ab. Hintergrund der Änderung war die Anpassung des Gesetzestextes an die Legaldefinition der Verarbeitung personenbezogener Daten in Art. 4 Nr. 2 DSGVO.
4.1.5 Keine anderweitige gesetzliche Bestimmung
Rz. 106
Der Vorbehalt, dass Weisungen keine anderweitige gesetzliche Bestimmung entgegenstehen darf, wirkt rein deklaratorisch. Besteht eine anderweitige konkrete gesetzliche Regelu...