Rz. 3a
Die absoluten Revisionsgründe betreffen nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit der Revision. Sie müssen deshalb entsprechend den allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen (Form-, Fristerfordernisse usw.) wie auch sonst Verfahrensmängel schlüssig gerügt werden. Schlüssigkeit liegt nur vor, wenn die substanziiert vorgetragenen Tatsachen, ihre Richtigkeit (unabhängig von ihrer Erweisbarkeit) unterstellt, den behaupteten absoluten Revisionsgrund tatsächlich ergeben. Lediglich die Kausalität braucht, da gesetzlich vermutet, nicht dargelegt zu werden.
Bloße Behauptungen oder auch lediglich der Verdacht eines Verfahrensverstoßes reichen nicht aus. Der BFH ist also nicht verpflichtet, auf ein derartiges Vorbringen das FG-Urteil auf mögliche Verfahrensmängel zu überprüfen.
Eine ausdrückliche Rüge ist nur dann entbehrlich, wenn der absolute Revisionsgrund zugleich eine von Amts wegen zu beachtende Sachentscheidungsvoraussetzung, z. B. bei einem Mangel in der Vertretung, Nr. 4, betrifft.
Auch die absoluten Revisionsgründe müssen grundsätzlich innerhalb der zweimonatigen Revisionsbegründungsfrist nach § 120 Abs. 2 FGO vorgebracht werden. Eine Ausnahme gilt für die Gründe des § 119 Nr. 1, 2 und 4 FGO, die sich mit den Nichtigkeitsgründen der Wiederaufnahmeklage nach § 134 FGO i. V. m. § 579 Abs. 1 ZPO decken. Diese Gründe können aus prozessökonomischen Gründen auch nach Ablauf der Revisionsfrist, aber vor Eintritt der Rechtskraft des Urteils gerügt werden. Würde dies nicht geschehen, könnte der Mangel im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens im Wege der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden. Wird dies versäumt, scheitert die Nichtigkeitsklage in den Fällen des § 579 Abs. 1 Nr. 1 (nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts) und Nr. 3 ZPO (Mitwirkung eines abgelehnten Richters) am Grundsatz der Subsidiarität der Nichtigkeitsklage. Denn in diesen Fällen ist die Nichtigkeitsklage ausgeschlossen, wenn der Nichtigkeitsgrund mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.
Mit der Rüge, das FG habe ohne mündliche Verhandlung entschieden, obwohl ausdrücklich nicht auf eine mündliche Verhandlung verzichtet wurde, wird zwar ein absoluter Revisionsgrund geltend gemacht. Diese Rüge ist jedoch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist zu erheben.
Die Revision braucht nicht ausdrücklich auf einen Verfahrensmangel i. S. v. § 119 Nr. 1-6 FGO gestützt zu werden; es reicht aus, wenn innerhalb der Revisionsbegründungsfrist substantiiert Umstände vorgetragen werden, die den Mangel ergeben. Wegen der Kausalitätsvermutung (Rz. 1) sind Angaben über die Ursächlichkeit des Verfahrensmangels für die Entscheidung des FG grundsätzlich nicht erforderlich; eine Ausnahme gilt bei § 119 Nr. 3 FGO (Rz. 26ff.).
Da nach § 119 FGO bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrunds unwiderleglich vermutet wird, dass das FG-Urteil auf dem Verfahrensmangel beruht und das Urteil regelmäßig ohne eine Äußerung des BFH zur Sache aufgehoben und der Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen ist, hat der BFH vorrangig die Rüge eines absoluten Revisionsgrunds zu prüfen. Er kann nicht mit der Begründung sachlich über die Revision entscheiden, es komme – aus anderen Gründen – auf die Rüge des wesentlichen Verfahrensmangels nicht an. Denn die unter einem wesentlichen Verfahrensverstoß i. S. v. § 119 FGO zustande gekommenen Feststellungen sind, da sie Grundlage der Entscheidung geworden sind und das Gesamtergebnis beeinflussen, nicht verwertbar.
Rz. 3b
Auch bei den absoluten Revisionsgründen ist zu prüfen, ob der Beteiligte durch einen Verzicht auf die Beachtung der Verfahrensvorschrift sein Rügerecht nach § 155 FGO i. V. m. § 295 ZPO verloren hat. Der Rügeverlust kann allerdings nur bei Verfahrensmängeln eintreten, die der Disposition der Beteiligten unterliegen und daher verzichtbar sind. Das betrifft die Vorschriften, die nicht die Einhaltung der im öffentlichen Interesse liegenden Erfordernisse vorschreiben. Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln muss auch vorgetragen werden, dass der Verfahrensverstoß im Verfahren vor dem FG gerügt worden ist, bzw. aus welchen besonderen Gründen eine solche Rüge ausnahmsweise nicht möglich war.
Verzichtbare Verfahrensmängel betreffen:
- § 119 Nr. 3 FGO, Versagung des rechtlichen Gehörs, z. B. Versagung der Akteneinsicht,
- Nr. 4, nicht ordnungsmäßige Vertretung eines Beteiligten,
- Nr. 5, Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens.
Nicht verzichtbar sind im öffentlichen Interesse:
- Nr. 1, nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts,
- Nr. 2, Mitwirkung ausgeschlossener oder abgelehnter Richter,
- Nr. 6, fehlende Urteilsgründe.
Ausnahmsweise genügt zur Rüge eines Verfahrensmangels die Bezugnahme auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, wenn diese eine substanziierte Tatsachenbezeichnung enthält und der BFH aufgrund der Beschwerdebegründung die Revision zugelassen hat. Ohne Bezugnahme auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ka...