2.1 Steuern und Steuervergütungen
Rz. 6
Die Vorschrift gilt für die in ihr näher bestimmten Steuern einschließlich der Steuervergütungen und Steuererstattungen (vgl. Rz. 2ff.). Andere Abgaben als Steuern sowie Prämien und Zulagen fallen nicht von selbst in den Anwendungsbereich der AO, sondern bedürfen dazu einer besonderen gesetzlichen Regelung, auch wenn die übrigen Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt sind (vgl. Rz. 34).
Keine Steuern sind z. B. die Rundfunkgebühren, weil der Rundfunkbeitrag vom Innehaben einer Wohnung abhängig ist und das Aufkommen nicht in die Landeshaushalte eingestellt wird.
Wenn die Vorschrift die Anwendbarkeit der AO auf die in ihr bezeichneten Steuern bezieht, so sagt sie damit mehr als mit einer Formulierung wie "Dieses Gesetz gilt für die Verwaltung aller Steuern". Die AO wirkt nämlich durch viele Vorschriften rein materiell-rechtlich, ohne dass es auf ein Verwalten ankommt. Andererseits ist die AO auch auf die Angelegenheiten anwendbar, die nur mittelbar mit der Besteuerung zusammenhängen, aber Teil des gesamten Verwaltungsverfahrens sind oder aufgrund der Verwaltungskompetenz für die Steuern in den Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörde fallen. Dazu gehören die Erteilung steuerlicher Unbedenklichkeitsbescheinigungen, die Ausstellung von Einkommens- oder Vermögensbescheinigungen für nichtsteuerliche Zwecke sowie Fragen der Auskunftserteilung im Zusammenhang mit dem Steuergeheimnis.
2.2 Bundesgesetz – EG-Recht
Rz. 7
Nach Abs. 1 gilt die AO für die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelten Steuern und Steuervergütungen. Abweichend von § 3 Abs. 1 RAO stellt diese Vorschrift auf die tatsächliche Regelung durch den Bundesgesetzgeber ab und nicht mehr auf die Gesetzgebungsbefugnis. Entsprechendes gilt für das Recht der Europäischen Gemeinschaften. Dadurch werden bei landesgesetzlich geregelten Steuern mögliche Unklarheiten, ob ein Fall der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes oder ein Fall der ausschließlichen Gesetzgebung der Länder gegeben ist, vermieden. Zur Anwendung der AO auf landesrechtlich geregelte Steuern vgl. im Übrigen Rz. 33ff.
2.2.1 Bundesrecht
Rz. 8
Für die bundesrechtlich geregelten Steuern ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 1 u. 2 GG. Danach hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole. Er hat außerdem die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder wenn die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen. Dies gilt z. B., wenn ein Bedürfnis nach einer bundeseinheitlichen Regelung zur Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse besteht oder wenn die Angelegenheit durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam geregelt werden kann
Bundesgesetzlich geregelt sind folgende Steuern:
- Zölle, die gemäß Art. 4 Nr. 10 ZK Einfuhrabgaben und daher nach § 3 Abs. 3 Steuern i. S. d. Gesetzes sind;
- Verbrauchsteuern, die nicht nur örtlich sind: BierSt, KaffeeSt, SchaumweinZwSt, TabakSt, MinölSt, bis 31.12.2017: Branntweinmonopolabgabe;
- Besitzsteuern: ESt, KSt, SolZ, ErbSt, bis 31.12.1996 auch die VST;
- Verkehrsteuern: FeuerschutzSt, GrESt (hier haben die Länder gem. § 105 Abs. 2a S. 2 GG die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes, KraftfahrzeugSt, Rennwett- und LotterieSt, StromSt, USt, VersicherungSt;
- Realsteuern: GewSt, GrSt.
2.2.2 Recht der Europäischen Union
Rz. 9
In den Anwendungsbereich der AO ist in § 1 Abs. 1 S. 2 das Recht der Europäischen Union ausdrücklich einbezogen worden.
2.2.2.1 Unionsrecht
Rz. 10
Die Rechtsquellen des Unionsrechts haben einen dem innerstaatlichen Recht ähnlichen Stufenbau. Das primäre Unionsrecht ergibt sich seit dem 1.12.2009 insbesondere aus dem EUV und der AEUV. Ebenfalls seit dem 1.12.2009 gehört auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union gleichrangig zum primären Unionsrecht. Die Grundsätze der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sind gem. 6 Abs. 3 EUV als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts. Sie werden ergänzt durch das ungeschriebene primäre Gemeinschaftsrecht. Dazu gehören im Steuerrecht insbesondere die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, das Verhältnismäßigkeitsprinzip, die gleichheitssatzkonforme Besteuerung, die freiheitsschonende Besteuerung, Rechtssicherheit, Rückwirkungsverbot und Vertrauensschutz, das Verbot des Rechtsmissbrauchs und das Äquivalenz- und Effektivitätsprinzip.
Rz. 11
Das sekundäre Gemeinschaftsrecht umfasst alle von den Organen der Europäischen Union erlassenen Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen sowie die unverbindlichen Empfehlungen und Stellungnahmen. Die AO-Vorschriften finden daher insbesondere bei gemeinschaftlichen EU-Verordnungen i. S. v. Art. 288 A...