Rz. 22

Die zur Fristwahrung erforderliche rechtzeitige Handlung hat derjenige zu beweisen, der die Frist zu wahren hatte. Auch bei einem rechtzeitig ordnungsgemäß zur Post gegebenen Brief gilt nicht der Beweis des ersten Anscheins für den Eingang beim Adressaten.[1] Jedoch kann der Stpfl. darauf vertrauen, dass die Deutsche Post die nach ihren betrieblichen und organisatorischen Fähigkeiten für den Normalfall verlautbarten Postlaufzeiten auch einhält.[2] Dies gilt in gleicher Weise auch für private Beförderungsdienste.[3] In diesen Fällen wird jedoch regelmäßig nach § 110 AO Wiedereinsetzung zu gewähren sein.[4]

 

Rz. 23

Der Eingangsstempel der Finanzbehörde erbringt nach h. M. als öffentliche Urkunde regelmäßig den vollen Beweis für den Zeitpunkt des Eingangs.[5] Ein Gegenbeweis soll zwar möglich sein, allerdings nicht durch Erschütterung der Richtigkeit des Stempelinhalts, sondern nur durch einen Nachweis, dass die Richtigkeit ausgeschlossen ist.[6] Diese Auffassung geht m. E. zu weit.[7] Der Eingangsstempel der Behörde kann wie der eines anderen Beteiligten oder seines Beraters nur den Beweis des ersten Anscheins geben. Die Handhabung des Eingangsstempels nach der FAGO bedeutet nämlich vielfach eine Falschstempelung, sodass die Begründung des vollen Beweises damit, dass es sich um eine öffentliche Urkunde handele, nicht durchziehen kann.[8] Die Erschütterung des ersten Anscheins durch den Beteiligten reicht diesem allerdings dann nicht aus, wenn er selbst beweispflichtig ist. Er muss dann wiederum mindestens den Beweis des ersten Anscheins führen.[9] Die durch "OK-Vermerk" unterlegte ordnungsgemäße Absendung eines Schreibens per Telefax begründet ein Indiz für den tatsächlichen Zugang des Schriftstücks beim Empfänger.[10]

[1] BGH v. 17.2.1964, II ZR 87/61, NJW 1964, 1176; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 108 AO Rz. 178.
[2] BFH v. 7.5.1996, VIII R 60/95, BHN/NV 1997, 34.
[3] BGH v. 10.3.2011, VII ZB 28/10, NJW-RR 2011, 790.
[7] So auch Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 108 AO Rz. 179.
[8] Westphal, BB 1983, 2178.
[10] BFH v. 22.6.2020, VI B 117/19, Haufe-Index HI14174625.

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