2.1 Zunehmendes Überschreiten der Grenzen
Rz. 6
Die letzten Jahrzehnte waren gekennzeichnet durch das leichtere und dadurch immer häufiger und vielfältiger werdende Überschreiten der nationalen Grenzen in beiden Richtungen. Das gilt für das persönliche Verhalten (z. B. durch Tourismus), vor allem aber im Bereich des Wirtschaftsverkehrs. So führte die Globalisierung zu einer zunehmenden Internationalisierung des Wirtschaftsverkehrs. Nicht mehr nur auf Konzernebene, sondern auch bei kleinen und mittelständischen Unternehmen wurde der wirtschaftliche Schritt über die Grenze gewagt. Der Austausch von Waren- und Dienstleistungen verstärkte sich schließlich durch die sich weiter verbreitende Nutzung der Möglichkeiten des Internets.
2.2 Folgen für die Besteuerung
Rz. 7
Die Besteuerung geschieht stets aufgrund nationaler Gesetze der einzelnen Staaten. Eine internationale Besteuerung ist, abgesehen von der Zollerhebung an den Außengrenzen der EU, bisher nicht verwirklicht. Dem hohen Tempo der Internationalisierung konnten die Staaten mit ihrer Steuergesetzgebung oftmals nicht mehr folgen, sodass insbesondere multinational tätige Konzerne unterschiedliche Steuersysteme für ihre Zwecke nutzen können, um Steuerlasten zu minimieren oder weiße, also nicht besteuerte, Einkünfte zu generieren. Auf der anderen Seite können die unterschiedlichen Besteuerungssysteme für Stpfl. das Risiko der Doppelbesteuerung begründen, das es ebenfalls zu vermeiden gilt. Insbesondere durch die jüngere BEPS-Diskussion (Base Erosion and Profit Shifting) auf OECD-Ebene und deren Umsetzung in nationales Recht ist das Erfordernis internationaler Zusammenarbeit stärker in den Fokus gerückt. Dagegen kann und darf der Verdacht einer Steuerstraftat nicht der ausschließliche Ausgangspunkt jeder zwischenstaatlichen Amtshilfe sein. Die Amtshilfe des § 117 AO ist daher eine steuerliche, keine steuerstrafrechtliche Hilfe.
2.3 Grenzen der Staatshoheit
Rz. 8
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Rz. 9
Die fehlende Staatshoheit außerhalb des Staatsgebiets verhindert grundsätzlich nur hoheitliche Maßnahmen auf dem fremden Hoheitsgebiet. Solche Maßnahmen sind auch dann nicht zulässig, wenn der Betroffene ihnen zustimmt oder sie duldet. Umgekehrt dürfen auch ausländische Staaten auf deutschem Gebiet keine hoheitlichen Maßnahmen treffen. Es ist bekannt geworden, dass sich nicht immer alle ausländischen Staaten hieran halten und deutsche Unternehmen dieses – aus Zweckmäßigkeitsgründen – dulden. Dagegen sind hoheitliche Maßnahmen, insbesondere also Verwaltungsakte, vom eigenen Hoheitsgebiet aus grundsätzlich wirksam, auch wenn der Erfolg im Ausland eintritt. Die deutschen Finanzbehörden können daher z. B. grundsätzlich Erklärungsvordrucke, Fragebögen und Anfragen ebenso an Personen in einem anderen Hoheitsgebiet schicken wie Steuerbescheide, Androhungen von Zwangsgeldern, Leistungsgebote und Mahnungen. Auch das Stellen eines Insolvenzantrags bei einem ausländischen Gericht ist danach zulässig. Solange es dazu nicht der Tätigkeit ausländischer Dienststellen bedarf oder der ausländische Staat nicht durch Verbot der Zusendung die Wirksamkeit unterbindet, ist eine solche Ausübung der Staatsgewalt möglich. Die Einschaltung der eigenen diplomatischen oder konsularischen Vertretungen kann in Einzelfällen zweckmäßig sein, darf aber nicht zu Hoheitsmaßnahmen auf fremdem Staatsgebiet führen.
2.4 Gesteigerte Mitwirkung und zwischenstaatliche Amtshilfe als Lösung
Rz. 10
Der deutsche Gesetzgeber sucht die Lösung der Ermittlungsprobleme, die sich aus der Unzulässigkeit von Maßnahmen auf fremdem Hoheitsgebiet ergeben, vor allem auf zwei Wegen. Zum einen hat er erweiterte Mitwirkungspflichten für Stpfl. mit Auslandsbeziehungen geschaffen und diese Pflichten nach und nach weiter ausgebaut. Zum anderen hat er sich bemüht, durch Einführung des § 117 AO und weiterer Grundlagen für den zwischenstaatlichen Amtshilfeverkehr zusammen mit den Gegenseitigkeitsbemühungen der anderen Staaten die Ermittlung im Inland nicht erreichbarer Informationen zu verbessern und zu erleichtern. Die Bestrebungen zur Ausdehnung der zwischenstaatlichen Amtshilfe haben in den letzten Jahren stark zugenommen und waren sehr erfolgreich. Dies ist insbesondere für den Amtshilfeverkehr unter den EU-Mitgliedstaaten in der Entwicklung vom EGAmtshG zum Inhalt des EUAHiG zu beobachten.
Rz. 11
Da auf dem fremden Hoheitsgebiet ausschließlich der andere Staat die Hoheitsgewalt ausübt, bietet es sich an, diese Hoheitsgewalt für die Durchsetzung des deutschen Steuerrechts heranzuziehen und einzusetzen. Das wiederum erfordert deswegen eine Gegenseitigkeit, da nur derjenige Staat seine Hoheitsgewalt für die Ermittlung und Durchsetzung von Steueransprüchen eines anderen Staates einsetzen wird, der von diesem anderen Staat eine entsprechende Hilfe erhält bzw. bei sich bietende...