Rz. 26b
Bereits im Jahr 1988 vereinbarten die Mitgliedsstaaten des Europarats und der OECD die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen. Diese Vereinbarung wurde durch ein Ergänzungsprotokoll im Jahr 2010 weiterentwickelt, um einen einheitlichen Standard des Informationsaustauschs sicherzustellen. Zudem wurde die Vereinbarung für Staaten geöffnet, die weder Mitglied im Europarat noch bei der OECD sind.
Die Bundesrepublik hatte das Abkommen nebst Ergänzungsprotokoll zwar unterzeichnet, aber nicht umgehend in nationales Recht transformiert. Dies geschah erst durch das Gesetz zu dem Übereinkommen v. 25.1.1988 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen und zu dem Protokoll v. 27.5.2010 zur Änderung des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen v. 16.7.2015.
Mit Stand 3.1.2017 sind dem Multilateralen Übereinkommen 108 Staaten beigetreten.
Gegenstand der Vereinbarung ist die Gewährung von Amtshilfe in Steuersachen. Nach Art. 1 der Vereinbarung umfasst die gegenseitige Amtshilfe den Informationsaustausch, einschließlich gleichzeitiger Steuerprüfungen und der Teilnahme an Steuerprüfungen im Ausland, die Amtshilfe bei der Beitreibung, einschließlich Sicherungsmaßnahmen, und die Zustellung von Schriftstücken. Die Nutzung der so erlangten steuerlichen Informationen im Strafverfahren kommt nur bei vorheriger Zustimmung des die Beweismittel liefernden Staates in Betracht. Der Informationsaustausch kann auf Antrag hin erfolgen oder als Spontanauskunft. Des Weiteren wird der automatische Informationsaustausch grundsätzlich vereinbart.
Die zu gewährende Amtshilfe erstreckt sich auf die in Art. 2 des Abkommens abstrakt genannten Steuern, die gem. Art. 2 Abs. 2 des Abkommens in einer Anlage A durch den jeweiligen Abkommenstaat aufgelistet sind und dem Generalsekretär des Europarats oder dem Generalsekretär der OECD mitgeteilt werden. Für Deutschland gilt das Abkommen für ESt (einschließlich LSt, KapESt, Zinsabschlag, Steuerabzug bei Bauleistungen und besonderer Erhebungsformen nach § 50a EStG), KSt, Solidaritätszuschlag, Vermögensteuer, GewSt, Beiträge im Rahmen der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Unfall- und Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte sowie der Arbeitsförderung, ErbSt, Schenkungsteuer, Ersatzerbschaftsteuer, GrSt, GrESt, Einfuhrumsatzsteuer, USt, Branntweinsteuer, Energiesteuer, Tabaksteuer, Luftverkehrsteuer, Rennwett- und Lotteriesteuer sowie Steuern auf Versicherungsprämien. Ebenso werden alle steuerlichen Nebenleistungen erfasst.
Unzulässig sind im Rahmen von Auskunftsersuchen, ebenso wie bei Auskunftsersuchen nach Art. 26 OECD-MA, sog. "fishing expeditions", also Anfragen "ins Blaue hinein".
Spiegelbildlich zu den weitreichenden Informationsmöglichkeiten stehen dem Stpfl. in Art. 21 und 22 des Abkommens geregelte Schutz- und Geheimhaltungsvorschriften zur Seite. Darüber hinaus schließt die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen einer völkerrechtlichen Erklärung die Weitergabe von Informationen aus, soweit die Nutzung ausschließlich für das Besteuerungsverfahren, und nicht für ein Strafverfahren, nicht sichergestellt ist. Insbesondere kommt eine Weitergabe von Informationen dann nicht in Betracht, wenn dies gegen die Grundsätze des ordre public verstößt. Dies gilt ausdrücklich in den Fällen, in denen die übermittelten Informationen in Verfahren eingeführt wird, in denen die Verhängung der Todesstrafe droht oder es zur Missachtung von menschenrechtlichen Mindeststandards kommen könnte. Der Informationsaustausch entspricht der großen Auskunftsklausel des Art. 26 OECD-MA. Soweit ein DBA mit einem Staat besteht, in dem die kleine Auskunftsklausel vereinbart ist, so wird bei beiderseitigem Beitritt zum Multilateralen Übereinkommen das jeweilige DBA überlagert. Auf Ebene der EU gewährleistet bereits die EUAHiR bzw. die Umsetzungsgesetze der jeweiligen Nationalstaaten eine weitreichende Möglichkeit zum Informationsaustausch. Soweit ein bilaterales DBA oder ein TIEA abgeschlossen wurde, gilt dies i. d. R. vorrangig.