3.1 Formfreiheit und Formvorschriften (§ 119 Abs. 2 S. 1 AO)
Rz. 21
Ein Verwaltungsakt kann in jeder beliebigen Form, schriftlich, elektronisch, mündlich, durch Zeichen oder konkludentes Verhalten, erlassen werden, soweit nicht durch Gesetz eine bestimmte Form vorgeschrieben ist.
Formfreiheit und Formvorschriften beziehen sich auf den Tenor des Verwaltungsakts (Regelungsgehalt); die Form der Begründung und der Rechtsbehelfsbelehrung richten sich nicht nach § 119 Abs. 2 AO, sondern nach §§ 121 Abs. 1, 356 AO.
Bestehen keine besonderen Formvorschriften, liegt es im Ermessen der Verwaltungsbehörde, ob von der Möglichkeit der Formfreiheit Gebrauch gemacht oder welche Form gewählt wird. Maßstab für diese Ermessensentscheidung ist, ob der Verwaltungsakt seine Funktion auch erfüllen kann, wenn er formlos ergeht. Kommt es z. B. auf den Wortlaut des Verwaltungsakts entscheidend an, wäre eine formlose Erteilung ermessensfehlerhaft. Entsprechendes gilt bei umfangreichen Zahlenaufstellungen, Berechnungen, komplizierten Rechtsauffassungen usw.
Das bloße Schweigen der Behörde ist regelmäßig kein Verwaltungsakt, es sei denn, dass das Gesetz einem Schweigen diese Bedeutung ausdrücklich beilegt oder in dem Schweigen eine Willenserklärung der Behörde zum Ausdruck kommt (z. B. stillschweigende Fristverlängerungen, wenn der Betroffene erklärt, bei Genehmigung der Fristverlängerung verzichte er auf einen Bescheid). Hiervon abgesehen kann das Schweigen aber bestimmte Rechtswirkungen nach Treu und Glauben haben (z. B. Verwirkung). Der Inhalt des Schweigens ist anhand der Umstände zu ermitteln; dabei kann z. B. auch der Antrag eines Stpfl. berücksichtigt werden.
Rz. 22
Schriftform ist in § 157 AO für Steuerbescheide und die den Steuerbescheiden gleichgestellten Bescheide, in § 93 Abs. 2 S. 2 AO für bestimmte Auskunftsverlangen, in § 191 Abs. 1 S. 2 AO für Haftungs- und Duldungsbescheide, in § 196 AO für Prüfungsanordnungen, in § 205 Abs. 1 AO für verbindliche Zusagen, in § 279 Abs. 1 S. 1 AO für Aufteilungsbescheide, in § 324 Abs. 2 S. 2 AO für die Arrestanordnung, in § 332 Abs. 1 S. 1 AO für Zwangsmittelandrohungen und in § 366 AO für Rechtsbehelfsentscheidungen vorgesehen. Schriftform bedeutet, dass der ganze Inhalt des Verwaltungsakts (Adressat, verfügender Teil, Begründung) in einem Schriftstück dokumentiert ist. Zusätzlich müssen die Bestimmungen des Abs. 3 berücksichtigt sein.
Rz. 23
Die elektronische Signatur muss außerdem auf einem zum Zeitpunkt ihrer Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat eines Zertifizierungsdiensteanbieters beruhen und mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt worden sein. Dagegen brauchen die Voraussetzungen des § 15 Signaturgesetz nicht erfüllt zu sein.
Vgl. Erl. bei Volquardsen, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, zu § 87a AO.
Die qualifizierte elektronische Form ersetzt nach § 87a Abs. 4 AO die Schriftform. Sie ist zulässig, wenn der Verwaltungsakt durch einfache Bekanntgabe bekannt gegeben werden kann. Soll der Verwaltungsakt zugestellt werden, ist elektronische Form nicht zulässig; das VwZG kennt nur die Zustellung schriftlicher Verwaltungsakte, nicht die von elektronisch erlassenen.
3.2 Schriftliche Bestätigung (§ 119 Abs. 2 S. 2 AO)
Rz. 24
Wird ein Verwaltungsakt in mündlicher Form erlassen, so kann der Betroffene verlangen, dass die Behörde ihn schriftlich bestätigt, sofern er ein berechtigtes Interesse hieran hat. "Mündlich" ist in diesem Fall als "nicht schriftlich" zu verstehen, erfasst auch durch Zeichen oder konkludentes Verhalten erlassene Verwaltungsakte, da das Interesse des Betroffenen an einer schriftlichen Fixierung eines durch Zeichen oder konkludentes Verhalten erlassenen Verwaltungsakts ebenso bestehen kann wie an der eines mündlich erlassenen; für eine Ungleichbehandlung dieser Fälle ist kein sachlicher Grund ersichtlich. Missbräuche können dadurch verhindert werden, dass ein berechtigtes Interesse des Betroffenen bestehen muss. Im Steuerrecht gibt es aber regelmäßig nur in Ausnahmefällen konkludente Verwaltungsakte.
M. E. muss eine schriftliche Bestätigung auch erfolgen, wenn ein Verwaltungsakt in einfacher elektronischer Form ergangen ist, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse des Stpfl. besteht. Ein einfacher elektronischer Verwaltungsakt ohne qualifizierte elektronische Signatur steht einem schriftlichen Verwaltungsakt nicht gleich, sondern entspricht wertungsmäßig mehr einem mündlichen Verwaltungsakt (vgl. Rz. 16). Er bietet also nicht die gleiche Sicherheit hinsichtlich erlassender Behörde und Inhalt wie ein schriftlicher Verwaltungsakt. Daher kann ein Interesse des Betroffenen an der schriftlichen Bestätigung bestehen. Ein derartiges Interesse besteht allerdings regelmäßig dann nicht, wenn die Schriftform nur dazu dient, komplizierte oder umfangreiche Berechnungen oder Rechtsauffassungen darzule...