Rz. 2f
Ein Bescheid ist wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig, wenn sich aus ihm – auch nach Auslegung – nicht ersehen lässt, was von wem verlangt wird. Damit liegt Nichtigkeit wegen fehlender Angabe des sachlichen Geltungsbereichs vor, wenn die Steuer und die zu besteuernden Sachverhalte (Art der Steuer, Besteuerungszeitraum, steuerbarer Vorgang bei einmaliger Steuer) nicht hinreichend bestimmt sind. Bei einem Schenkungsteuerbescheid muss deutlich sein, auf welche Schenkung (von mehreren) sich der Bescheid bezieht. Bei einem Feststellungsbescheid soll es dagegen ausreichen, wenn sich der anteilige Grundstückswert für den jeweiligen Miteigentümer errechnen lässt. Ein schwerwiegender Fehler im sachlichen Regelungsbereich ist es auch, wenn ein zweiter Steuerbescheid über denselben Steuergegenstand (gleicher Stpfl., gleiche Steuerart, gleicher Besteuerungszeitraum) ergeht, ohne sein Verhältnis zu dem ersten Steuerbescheid klarzulegen (z. B. als Änderungsbescheid; Neubekanntgabe eines Steuerbescheids, weil die erste Bekanntgabe fälschlich für unwirksam gehalten wurde, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich um eine Neubekanntgabe handelt). Es ist dann nicht feststellbar, durch welchen der beiden Steuerbescheide der Sachverhalt geregelt werden soll. Der zweite Steuerbescheid ist dann nichtig. Dieser Fehler ist auch offenkundig, weil zwei Steuerbescheide für den gleichen Steuergegenstand beziehungslos nebeneinander stehen. Auch insoweit ist aber – bevor die Nichtigkeit des zweiten Bescheids angenommen werden kann – zu prüfen, ob durch Auslegung ermittelt werden kann, in welchem Verhältnis die beiden Bescheide zueinander stehen sollen. Dabei reicht nicht alleine aus, dass der zweite Bescheid als Änderungsbescheid bezeichnet wird; es muss sich aus dem Bescheid auch ergeben, inwieweit eine Änderung des ersten Bescheids erfolgen soll.
Ein Vorläufigkeitsvermerk ist nichtig, wenn sich aus ihm nicht ergibt, in welchem Umfang die Vorläufigkeit bestehen soll. Kann dieser Fehler nicht durch Auslegung beseitigt werden, ist der Vorläufigkeitsvermerk wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig. Bei der Auslegung ist auch zu berücksichtigen, wenn der Stpfl. aufgrund seines Verhaltens Schlüsse hinsichtlich des Umfangs der Vorläufigkeit ziehen kann. Dies darf aber nicht dazu führen, dass bei nur einer Einkunftsart keine Gründe für die Vorläufigkeit angegeben werden. Ohne Begründung kann der Stpfl. nicht ersehen, ob sich die Vorläufigkeit z. B. aus der Einnahmenseite, der Ausgabenseite oder der Einkünfteerzielungsabsicht ergibt. Ein nichtiger Vorläufigkeitsvermerk berechtigt weder zur Aufhebung noch zur Änderung des Bescheids.
Rz. 2g
Bei Haftungsbescheiden wegen Abzugsteuern ist die fehlende Angabe des Steuerschuldners kein schwerwiegender Fehler. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Haftungsschuld in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch Auslegung hinreichend konkretisieren lässt. Auch auf die Angabe der Steuerart kann verzichtet werden, wenn sich dies aus den Umständen eindeutig ergibt und die Steuerart eindeutig umschrieben ist. Etwas anderes gilt aber, wenn sich aus der Rechtsform des Steuerschuldners auch Auswirkungen für den Haftungsschuldner hinsichtlich der Höhe der von ihm zu entrichtenden Abzugssteuern ergeben. Sind für natürliche Personen und Kapitalgesellschaften als Vergütungsgläubiger unterschiedlich hohe Quellensteuersätze vorgesehen, muss daher in dem Haftungsbescheid ein Hinweis auf den Steuerschuldner vorhanden sein. Anderenfalls kann der Haftungsschuldner den Haftungsbetrag nicht nachvollziehen.
Rz. 2h
Ein rechtswidriger Verwaltungsakt ist nicht allein deshalb nichtig, weil er auf (grob fehlerhafter) Anwendung des geltenden Rechts beruht. Erst wenn überhaupt keine gesetzliche Grundlage gefunden werden kann oder diese unter keinen Umständen mit dem Gesetz vereinbar ist, kann Nichtigkeit eintreten.
Die Frage, ob eine derartige grobe Fehlerhaftigkeit vorliegt, stellt sich häufig bei Schätzungsbescheiden. Ein Schätzungsfehler, für dessen Korrektur das Rechtsbehelfsverfahren zur Verfügung steht, macht den Bescheid grundsätzlich nicht nichtig. Insbesondere ist bei Schätzungsbescheiden zu berücksichtigen, dass sie nicht auf dem tatsächlich verwirklichten Sachverhalt beruhen. Die im Schätzungsbescheid festgesetzte Steuerschuld kann daher die tatsächliche Steuerschuld überschreiten. Diese fehlerhafte Festsetzung ist einem Schätzungsbescheid immanent.
Allerdings können Schätzungsbescheide nichtig sein, wenn die Finanzbehörde offensichtlich willkürlich zum Nachteil des Stpfl. geschätzt hat (subjektive Willkür). Das FA muss sich bei der Schätzung an den wahrscheinlichen Besteuerungsgrundlagen orientieren und darf nicht lebensfremde Annahmen treffen. Die Schätzung des FA muss sich innerhalb der Bandbreite halten. Ein Schätzungsbescheid ist aber nicht schon dann nichtig, wenn diese Bandbreite überschritten wird, sofern nicht bewusst zum Nachteil des Stpfl. von de...