Rz. 4

§ 139a Abs. 2 AO regelt, dass als Stpfl. i. S. d. Vorschriften über das Identifikationsmerkmal über den in § 33 Abs. 1 AO genannten Personenkreis hinaus auch solche Personen erfasst werden, die nach den Steuergesetzen zwar steuerpflichtig sind, aber noch keine Steuer schulden. Typisches Beispiel ist die minderjährige – kein oder nur ein geringes Einkommen erzielende – natürliche Person, die wegen des Grundfreibetrags oder anderweitiger Freibeträge keine ESt schuldet, aber gleichwohl nach § 1 Abs. 1 S. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig ist. Entscheidend ist danach, ob nach einem Einzelsteuergesetz eine Steuerpflicht dem Grunde nach besteht. Steuerpflichtige i. S. des § 139a Abs. 2 AO sind danach insbesondere alle natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und deshalb nach § 1 Abs. 1 S. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind oder die nach § 1 Abs. 2 oder 3 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind oder als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden, sowie die natürlichen Personen, die gem. § 1 Abs. 4 EStG beschränkt einkommensteuerpflichtig sind. Ob im Einzelfall tatsächlich Steuer geschuldet wird, ist unerheblich.[1] Abs. 2 ist nur auf die herkömmlichen Erteilungsanlässe, nicht aber auf neu nach dem RegModG hinzu gekommenen anwendbar. Sonstige natürliche Personen i. S. d. § 139a Abs. 1 S. 1 2. Alt AO zeichnen sich damit dadurch aus, dass eine Steuerpflicht dem Grunde nach ausgeschlossen sein muss.

 

Rz. 5

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hat die Vergabe des Identifikationsmerkmals an Neugeborene unter Hinweis auf den Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit[2] kritisiert und angeregt, die Identifikationsnummer für natürliche Personen erst zu vergeben, wenn diese steuerrechtlich in Erscheinung getreten sind. Dem ist trotz des sich bei Kindern vielfach noch ändernden Familiennamens zu entgegnen, dass der Zweck des Identifikationsmerkmals ohne Einbeziehung dieses Personenkreises nur eingeschränkt verwirklicht werden kann. Denn eine zeitnahe Auswertung steuererheblicher Informationen ist nur dann möglich, wenn diese ohne größeren Ermittlungsaufwand auch steuerrechtlich noch nicht in Erscheinung getretenen Personen sicher zugeordnet werden können.[3]

Insoweit die datenschutzrechtliche Zulässigkeit seinerzeit[4] nur anhand des damaligen Verwendungszwecks zur Durchführung von Besteuerungsverfahren gemessen wurde, gibt die Ausweitung und Aufweichung des Verwendungszwecks einerseits auch außersteuerliche Verwendungszwecke, anderseits für außersteuerliche Abgleich- und Identifikationsanlässe[5] Gelegenheit zu einer neuerlichen datenschutzrechtlichen Überprüfung. Kritik wurde vor allem dahingehend geäußert, dass auf diesem Weg die Möglichkeit einer bereichsübergreifenden Profilbildung des Betroffenen ermöglicht wird und der ursprüngliche Erhebungszweck der personenbezogenen Daten nunmehr nicht länger auf den Steuerbereich beschränkt bleibt.[6]

Zudem seien die im RegModG vorgesehenen technischen und organisatorischen Sicherungen nicht ausreichend, um eine solche Profilbildung wirksam zu verhindern.[7]

Letztlich wird sich eine datenschutzrechtliche Rechtfertigung in dem Digitalisierungsvorhaben des Bundes und der Länder finden lassen. Dass rechtliche Grundlagen erst im Nachhinein die Verwendung der Identifikationsnummer zu außersteuerlichen Zwecken regeln, ist unbeachtlich, da Art. 6 Abs. 1 Buchst. c) und e) DSGVO[8] die Rechtsgrundlage der Verarbeitung, nicht aber schon im Zeitpunkt der erstmaligen Datenerhebung vorschreibt. Zudem ist mit Blick auf den Datenkranz des § 139b Abs. 3 AO, der allein für Identifikations- und Abgleichzwecke genutzt wird, kaum von einer unverhältnismäßigen Datenverarbeitung, geschweige denn von einer Profilbildung betroffener Personen zu sprechen. Da datenschutzrechtliche Vorgaben zur Angemessenheit von Sicherungsmaßnahmen stets nach der Sensibilität und dem Schutzbedürfnis der Daten bemessen, diese aber überwiegend als Grunddaten und damit als wenig schutzbedürftig anzusehen sind, scheinen die im Gesetz und der untergesetzlichen Ausgestaltung vorgesehen Sicherungsmechanismen auszureichen. Es darf daher davon ausgegangen werden, dass die Ausweitung und Aufweichung der Nutzung der Identifikationsnummer durch das RegModG der datenschutzrechtlichen Kritik standhalten werden.

[1] Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags zum Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 2003, Begründung zu Art. 7, BT-Drs 15/1945, 16; BFH v. 18.1.2012, II R 49/10, BStBl II 2012, 168.
[3] So auch Wiese, in Gosch, AO/FGO, § 139a AO Rz. 16; Weyand, INF 2005, 499; BFH v. 18.1.2012, II R 49/10, BStBl II 2012, 168.
[5] Volquardsen, in Schwarz/ Pahlke, AO/FGO, vor §§ 139a–139d AO Rz. 18ff.
[6] Kelber, Stellungnahme zum RegModG-E, BT-Drs. 19/24226, Ausschussdrs....

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