3.1 Waren
Rz. 4
Die Aufzeichnungspflicht besteht für den Erwerb von Waren. Dieser Begriff ist in Übereinstimmung mit der im Handelsverkehr üblichen Auffassung zu bestimmen. Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 Nr. 1 HGB sind Waren bewegliche Sachen, also körperliche Gegenstände i. S. v. § 90 BGB. Der Aggregatzustand der Ware ist hierbei unerheblich. Ob Software als Ware anzusehen ist, kann im Einzelfall fraglich sein, wird aber zumindest für Standardsoftware regelmäßig zu bejahen sein. Die Aufzeichnungspflicht nach § 143 AO besteht nach dem Wortlaut der Norm deshalb nicht für erworbene:
- Grundstücke im Rechtssinn. Der Erwerb von Gegenständen, die noch rechtlich unselbstständige Bestandteile eines Grundstücks sind, ist aufzeichnungspflichtig, wenn der Lieferer die Trennung vornehmen wird. Der Erwerb des Rechts auf Abtrennung dieser Erzeugnisse und die Selbstgewinnung der Ware begründet demgegenüber keine Aufzeichnungspflicht.
- Rechte, selbst wenn diese in Wertpapieren verbrieft sind und sie zivilrechtlich, wie z. B. die Inhaberpapiere, wie bewegliche Sachen behandelt werden.
Rz. 5
Waren sind nach § 143 Abs. 2 S. 1 AO nicht nur die fertiggestellten Produkte, sondern Materialien in jedem Zustand (Rohstoffe, unfertige Erzeugnisse). Die Aufzeichnungspflicht bezieht sich also auch auf die zur Be- oder Verarbeitung des Produkts erforderlichen Hilfsstoffe oder Zutaten, allerdings nur auf solche Hilfsstoffe oder Zutaten, die unmittelbar einem Produkt zuzuordnen sind. Soweit sich eine derartige unmittelbare Beziehung zum Produkt nicht einfach und sicher erkennen lässt, wie dies etwa bei Gemeinkosten der Fall ist (z. B. Strom oder Wasser), ist die Erfassung über allgemeine Aufwandskonten zulässig.
3.2 Erwerb von Waren
Rz. 6
Die Aufzeichnungspflicht besteht nur für Waren, die der Unternehmer im Rahmen seines Gewerbebetriebs erworben hat. Entscheidend ist insoweit die Zuführung der Ware aus der Sphäre einer anderen Person in die Sphäre des Unternehmers, sodass dieser sie verarbeiten, verbrauchen oder veräußern kann. Hierbei ist es unerheblich, ob der Lieferer seinerseits Unternehmer oder Nichtunternehmer ist.
Rz. 7
Die Aufzeichnungspflicht besteht nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung nicht für selbst gewonnene Waren, die etwa aus der Natur (z. B. Nutzung des eigenen Steinbruchs oder anderer Bodenschätze), aus dem eigenen Grundstück (z. B. Gebäudeabbruch) oder im Produktionsprozess (z. B. Teilung von Gegenständen) entstehen.
Rz. 8
Die Zuführung in die betriebliche Sphäre und damit Erwerb i. S. d. Vorschrift besteht in der Erlangung der tatsächlichen oder rechtlichen Verfügungsmacht über die Ware. Die dingliche Rechtsstellung des Unternehmers ist hierbei unerheblich. Es ist also insbesondere nicht erforderlich, dass der Unternehmer Eigentümer der Ware wird, ein Anwartschaftsrecht an dieser erwirbt oder den unmittelbaren Besitz erlangt. Selbst die Erlangung mittelbaren Besitzes ist nicht erforderlich, wenn ein schuldrechtliches Verfügungsrecht über die jeweilige Ware besteht.
Rz. 9
Ohne Bedeutung im Rahmen des § 143 AO ist das dem Erwerb zugrunde liegende zivilrechtliche Rechtsverhältnis. Die Aufzeichnungspflicht besteht deshalb für die unentgeltlich im Weg der Schenkung oder auch im Weg des Tauschs erworbenen Waren. Beim Kauf der Ware ist die Form der jeweiligen Gegenleistung (Barzahlung, Ziel oder Verrechnung mit erbrachten oder zu erbringenden Leistungen) nicht maßgeblich. Selbst bei widerrechtlicher Erlangung der Verfügungsmacht ist der Wareneingang nach dem Wortlaut der Bestimmung zu erfassen.