Rz. 1
§ 146b AO normiert die sog. Kassen-Nachschau. Die Regelung wurde durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen v. 22.12.2016 in die AO eingefügt. Anwendbar ist die Regelung dabei seit dem Ablauf des 31.12.2017. Die Finanzverwaltung ist damit seit 2018 berechtigt, Kassen-Nachschauen durchzuführen. Die Kassen-Nachschau ist keine Außenprüfung i. S. d. § 193 AO, sondern – so die Gesetzesbegründung ausdrücklich – ein eigenständiges Verfahren zur zeitnahen Aufklärung steuererheblicher Sachverhalte im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Erfassung von Geschäftsvorfällen mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme oder offener Ladenkassen. Sinn und Zweck der Bestimmung ist, der Manipulation insbesondere an digitalen Kassen entgegenzuwirken, da dies in der Vergangenheit als ein erhebliches Problem durch die Finanzverwaltung erkannt wurde. Die Regelung steht im gesetzgeberischen Zusammenhang mit den ebenfalls neu eingeführten Pflichten nach § 146a AO.
Rz. 2
Die Norm beinhaltet im Einzelnen Ausführungen dazu, wann eine Kassen-Nachschau durchgeführt werden darf, weiterhin dazu, wann im Ausnahmefall auch Wohnräume gegen den Willen des Inhabers betreten werden dürfen, nebst dem aufgrund des Zitiergebots erforderlichen Hinweises auf die Einschränkung des Grundrechts nach Art. 13 GG in diesen Fällen. Sodann wird normiert, welche Pflichten dem betroffenen Stpfl. im Fall einer Kassen-Nachschau obliegen. Schließlich regelt die Bestimmung den möglichen Übergang zu einer allgemeinen steuerlichen Außenprüfung nach § 193 AO.
Rz. 3
Die Norm weist erhebliche Übereinstimmungen mit den bereits in der jüngeren Vergangenheit eingeführten Rechtsinstrumenten der Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b UStG und der Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g EStG auf. Auch die rechtlichen Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit diesen beiden Nachschauen stellen, stellen sich nahezu alle auch bei der neu eingeführten Kassen-Nachschau. Zu § 27b UStG liegt ein BMF-Schreiben vor, welches verschiedene Aspekte der Umsatzsteuer-Nachschau aus der Sicht der Finanzverwaltung darstellt. Gleiches gilt für die Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g EStG. Die allgemeinen Ausführungen dort sind auf die Kassen-Nachschau übertragbar. Abweichend von den übrigen gesetzlich normierten Nachschauen – aufgrund der anderen Zielrichtung auch nachvollziehbar – fehlt in § 146b AO allerdings der Hinweis, dass die gewonnenen Erkenntnisse auch für andere Steuerarten Verwendung finden dürfen. Gewisse Übereinstimmungen sind zudem mit der Nachschau im Rahmen der Steueraufsicht in besonderen Fällen nach § 210 AO gegeben.
Rz. 4
Bereits bei der Schaffung der Regelung zur Umsatzsteuer-Nachschau gem. § 27b UStG wurde die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung infrage gestellt. Die Bedenken resultierten seinerzeit vor allem aus dem Eingriff in das Grundrecht nach Art. 13 GG sowie aus einer Verletzung des Zitiergebots nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG. Während in § 146 Abs. 1 S. 4 AO nunmehr dem Zitiergebot ausdrücklich Rechnung getragen wird, dürften sich die übrigen Verfassungsrechtsfragen auch im Rahmen des § 146b AO stellen. Letztlich dürften diese Bedenken im Zusammenhang mit dem Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG jedoch nicht durchgreifen. Allerdings ist im Rahmen des Einsatzes des Instruments der Kassen-Nachschau in einem besonderen Maße auf eine Anwendung des allgemein gültigen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu achten.