3.1 Allgemeines
Rz. 32
Die Finanzbehörden können ihrer Verpflichtung zur gleichmäßigen Steuerfestsetzung und zur Ermittlung des Sachverhalts nur nachkommen, wenn der vermeintliche Erklärungspflichtige zur Mitwirkung angehalten werden kann. § 149 Abs. 1 S. 2 AO bestimmt demgemäß, dass zur Abgabe der Steuererklärung auch verpflichtet ist, wer hierzu durch die Finanzbehörde aufgefordert wird. Über die Begründung der Steuererklärungspflicht hinaus hat die Regelung keine Rechtswirkung, insbesondere führte sie nicht zu einer Verlängerung der gesetzlichen, nicht behördlich verlängerbaren Ausschlussfrist für die Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 S. 2 EStG a. F. Durch das JStG 2008 wurde die Ausschlussfrist von 2 Jahren gestrichen.
3.2 Adressatenkreis
Rz. 33
Aus der Formulierung des § 149 Abs. 2 AO "auch" ist zu entnehmen, dass hier neben dem sich schon aus § 149 Abs. 1 S. 1 AO ergebenden Personenkreis der Erklärungspflichtigen ein weiterer Personenkreis gemeint ist, für den die Erklärungspflicht nicht bereits offensichtlich kraft Gesetzes besteht. Die Vorschrift gibt der Finanzbehörde die Rechtsgrundlage, eine steuerliche Mitwirkungspflicht in Form der Steuererklärungspflicht zu konkretisieren, wenn ihr dies geboten erscheint. Auch die Steuererklärungspflicht nach Aufforderung entsteht "aufgrund gesetzlicher Vorschrift" i. S. v. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO, sodass die Nichterfüllung der Erklärungspflicht die Anlaufhemmung für die Festsetzungsverjährung bewirkt.
Rz. 34
§ 149 Abs. 1 S. 1 und 2 AO haben hinsichtlich des Adressatenkreises unterschiedliche Regelungsinhalte. § 149 Abs. 1 S. 2 AO ist, wie sich schon aus der Formulierung "auch" ergibt, eindeutig eine Hilfsvorschrift. Die Erklärungspflicht nach § 149 Abs. 1 S. 2 AO soll die kraft Gesetzes bestehende Erklärungspflicht um einen weiteren Personenkreis verstärken, nicht aber ersetzen. Demgemäß ist für eine Aufforderung i. S. v. § 149 Abs. 1 S. 2 AO offensichtlich kein Raum, wenn eine gesetzliche Erklärungspflicht besteht.
3.3 Verwaltungsakt
Rz. 35
Die Steuererklärungspflicht ist eine besondere Form der Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 1 AO, die hier im Einzelfall durch Aufforderung konkretisiert wird. Die Aufforderung zur Abgabe ist eine Ermittlungshandlung i. S. v. § 88 Abs. 1 AO. Sie ist die rechtliche Regelung eines Ermittlungsfalls und demgemäß Verwaltungsakt nach § 118 S. 1 AO. Die Erinnerung an eine bereits begründete Erklärungspflicht ist demgegenüber kein Verwaltungsakt. Die Aufforderung kann auch in Form einer Allgemeinverfügung nach § 118 S. 2 AO ergehen. § 149 Abs. 1 S. 3 AO bestimmt insoweit, dass die Bekanntgabe in diesem Fall durch öffentliche Bekanntmachung gem. § 122 Abs. 3 und 4 AO erfolgen kann.
3.4 Zuständigkeit
Rz. 36
Die Aufforderung als Ermittlungsmittel im Einzelfall muss durch die für die steuerlichen Ermittlungen sachlich und örtlich zuständige Finanzbehörde erfolgen.
3.5 Form
Rz. 37
Da § 149 Abs. 1 S. 2 und 3 AO keine Regelung über die Form trifft, gilt insoweit § 119 Abs. 2 AO. Die Aufforderung kann schriftlich, mündlich oder in sonstiger Weise erfolgen. In der Übersendung von Erklärungsvordrucken ist regelmäßig keine Aufforderung durch konkludentes Verhalten zu sehen.
3.6 Ermessen
Rz. 38
Die Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung ist eine Ermittlungshandlung, sodass § 92 AO entsprechend angewendet werden kann. Hiernach kann sich die Finanzbehörde der Ermittlungsmittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich hält. Die Aufforderung zur Abgabe liegt demgemäß im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde. Sie setzt voraus, dass die Möglichkeit zur Verwirklichung des Besteuerungstatbestands durch den Aufgeforderten besteht. Streitigkeiten über das Bestehen einer Steuerpflicht sind nicht im Verfahren über die Steuererklärungspflicht, sondern im Steuerfestsetzungsverfahren zu führen. ...