2.1 Steuererklärungen bei der zuständigen Finanzbehörde
Rz. 4
Eine Verpflichtung zur Entgegennahme der mündlichen Erklärung besteht nur für die jeweils örtlich und sachlich zuständige Finanzbehörde, ein Anspruch auf Entgegennahme einer Erklärung und Übermittlung an die zuständige Finanzbehörde dagegen nicht.
Rz. 5
§ 151 AO betrifft den Erklärungspflichtigen. Ist der Erklärungspflichtige nicht handlungsfähig i. S. v. § 79 AO, so hat der gesetzliche Vertreter für ihn zu handeln. In diesem Fall ist auf die persönlichen Verhältnisse des gesetzlichen Vertreters abzustellen. Wer handlungsunfähig ist, den trifft persönlich keine Erklärungspflicht. § 151 AO gilt damit in diesen Fällen nicht.
2.2 Unzumutbarkeit der Schriftform bzw. der elektronischen Übermittlung
Rz. 6
Die mündliche Abgabe der Steuererklärung ist nach § 151 AO nur zulässig, wenn die Einhaltung der Schriftform oder einer Pflicht zur elektronischen Übermittlung dem Stpfl. nach seinen persönlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann. Der Begriff der "Zumutbarkeit" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der erforderlichenfalls der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt.
Rz. 7
Die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form und insbesondere die Steuerselbstberechnung sind nicht zumutbar, wenn der Erklärungspflichtige aus körperlichen oder geistigen Gründen hierzu nicht in der Lage ist. Reine Bequemlichkeit reicht sicherlich nicht aus, um zu einer Anwendbarkeit des § 151 AO zu kommen. Die Aufnahme an Amtsstelle ist nur für besondere Härtefälle vorgesehen. Diese Situation kann aber etwa bei geschäftlich unerfahrenen oder der deutschen Sprache unkundigen Stpfl. eintreten, wobei Ausländern jedoch nach dem Grundgedanken des § 87 AO grundsätzlich zuzumuten ist, sich der Hilfe eines Dolmetschers zu bedienen. Dies kann auch ein Familienmitglied sein. Soweit es die Selbstberechnung der Steuer in einer Steueranmeldung betrifft, muss es sich aber um Extremsituationen handeln, wenn die Einhaltung der Schriftform unzumutbar sein soll. Der sich am Geschäftsleben aktiv Beteiligende hat auch die Verpflichtung, sich die erforderlichen Grundkenntnisse zu verschaffen, um seinen steuerlichen Pflichten zu genügen.
Rz. 8
Unzumutbar ist die Einhaltung der Schriftform nicht allein durch unzureichende Kenntnis des Steuerrechts. Insbesondere gilt dies nicht, wenn dem Stpfl. nur einzelne steuerliche Aspekte nicht erklärlich sind. Die Möglichkeit nach § 151 AO kann nur dann in Betracht kommen, wenn der Erklärungspflichtige auf die Einschaltung eines Bevollmächtigten, insbesondere eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe, aus finanziellen Gründen nicht verwiesen werden kann. Dies wird regelmäßig nur dann der Fall sein, wenn er die entstehenden Kosten nicht ohne Gefährdung des notwendigen Lebensunterhalts begleichen könnte. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist insoweit besonders zu beachten. Maßstab für die Verweisung auf die Hilfe durch Angehörige der steuerberatenden Berufe muss die tatsächliche Bedeutung der einzelnen Steuererklärung für den konkreten Steuerfall sein.
Rz. 8a
Für die Frage, wann es einem Stpfl. nicht zumutbar ist, einer Pflicht zur elektronischen Übermittlung einer Steuererklärung nachzukommen, wird man auf die Gründe abstellen können, die nach § 150 Abs. 8 AO eine Befreiung von der elektronischen Steuererklärungspflicht begründen können. Persönlich unzumutbar ist die elektronische Übermittlung etwa dann, wenn der Stpfl. keinen Zugang zum Internet besitzt oder etwa aufgrund seines Alters gar nicht mit Computern umgehen kann. Wirtschaftlich unzumutbar ist dies, wenn der Stpfl. sich nur aufgrund seiner Verpflichtungen die notwendige Ausstattung an Computer nebst Software beschaffen müsste und ihn dieses wirtschaftlich überfordern würde. Es ist ersichtlich, dass diese Voraussetzungen in der heutigen Zeit nur in recht wenigen Fällen zum Tragen kommen dürften.
Rz. 9
Der Liquidator einer GmbH ist zur Erfüllung der ihm gem. § 34 Abs. 1 AO i. V. m. § 70 GmbHG obliegenden Steuererklärungspflicht grundsätzlich verpflichtet, notfalls auch eigene Mittel einzusetzen. Auch der Insolvenzverwalter ist nicht zur Verweigerung der Erfüllung der Steuererklärungspflicht berechtigt, weil er für die damit verbundene Arbeit bei Massearmut kein angemessenes Entgelt erwarten kann. In diesen Fällen kommt sogar die Festsetzung eines Zwangsgelds gegen den Insolvenzverwalter in Betracht.