3.4.1 Grundsatz
Rz. 62
Die Festsetzung des VZ erfolgt durch Verwaltungsakt, der von dem als Bemessungsgrundlage dienenden Steuerbescheid, Steuermessbescheid bzw. Feststellungsbescheid rechtlich unabhängig ist. Eine nachträgliche Veränderung des als Bemessungsgrundlage dienenden Bescheids hatte demgemäß nach der Altfassung keine automatische Veränderung des VZ zur Folge. Eine entsprechende Anwendung des § 175 Nr. 1 AO kam nicht in Betracht.
Rz. 63
Die Bemessungsgrundlage ist nur Teil des Sachverhalts, über den die Finanzbehörde bei der Festsetzung eines VZ zu entscheiden hat. Wird der als Bemessungsgrundlage dienende Bescheid nachträglich ganz oder teilweise aufgehoben, so entfallen nach § 124 Abs. 2 AO insoweit seine Rechtswirkungen. Wird der Bescheid z. B. nach §§ 129, 172ff. AO geändert, so bleiben seine Rechtswirkungen, obgleich sie formell suspendiert sind, in dem Änderungsbescheid erhalten. Diese Fortwirkung infolge der Bestandskraft zwingt aber nicht zu der Annahme, dass der Inhalt auch als materiell richtig anzusehen ist. Die Finanzbehörde ist für die Festsetzung des VZ von einem materiell unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Die VZ-Festsetzung ist deshalb rechtswidrig. Eine Veränderung der VZ-Festsetzung kann demgemäß nur unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 AO erfolgen. Hiernach ist die völlige oder teilweise Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts selbst bei Unanfechtbarkeit zulässig. Für die Frage, ob diese Rücknahme erfolgen muss, also ob eine Akzessorietät zwischen dem als Bemessungsgrundlage dienenden Bescheid und der Festsetzung des VZ besteht, sind folgende Fälle zu unterscheiden. In der aktuellen Gesetzesfassung ist dies in § 152 Abs. 12 AO klargestellt. Eine Änderung der Festsetzung des VZ hat zu erfolgen, wenn die Steuerfestsetzung geändert wird.
3.4.2 Angefochtene Bemessungsgrundlage
3.4.2.1 Anfechtung der VZ-Festsetzung
Rz. 64
Solange der als Bemessungsgrundlage dienende Bescheid infolge eines Einspruchs nicht bestandskräftig geworden ist, steht die Bemessungsgrundlage unter dem Vorbehalt einer Änderung im anhängigen Einspruchsverfahren. Ist außerdem die Festsetzung des VZ angefochten, so ergibt sich hier eine gewisse Akzessorietät:
Rz. 65
- Wird auf den Einspruch hin der Bescheid ganz aufgehoben, so ist der Einspruch gegen die VZ-Festsetzung begründet, da keine Bemessungsgrundlage mehr vorhanden ist. Ergeht aber ein ersetzender, nunmehr als Bemessungsgrundlage dienender Bescheid, so kann – da es sich hierbei dann um eine erste Festsetzung oder Feststellung handelt – auch wieder ein VZ festgesetzt werden. Allerdings ist eine Erhöhung des VZ, also eine für den Stpfl. nachteiligere Entscheidung, grundsätzlich ermessensfehlerhaft.
Rz. 66
- Wird auf den Einspruch hin der Bescheid teilweise aufgehoben oder geändert, also eine niedrigere Festsetzung der Steuer oder des Messbetrags bzw. eine anderweitige gesonderte Feststellung vorgenommen, die zu einer geringeren steuerlichen Auswirkung führt, so muss die Finanzbehörde auf den Einspruch gegen die Festsetzung des VZ hin eine erneute Ermessensabwägung vornehmen. Es ist rechtlich nicht ausgeschlossen, dass diese Neubewertung zu einer Bestätigung der VZ-Festsetzung oder gar zu einer Erhöhung führen kann. Dies wird aber erheblichen Begründungsaufwand auslösen und regelmäßig nicht geboten sein. Grundsätzlich wird demgemäß, da die Bemessungsgrundlage nur eines der vorgegebenen Ermessenskriterien ist und sich eine Minderung des Ausgangswerts auf die übrigen Kriterien, insbesondere auf die Frage der Vorteilsziehung, auswirkt, eine nur lineare Minderung der VZ-Festsetzung ermessensfehlerhaft sein.
Rz. 67
- Wird der als Bemessungsgrundlage dienende Bescheid auf den Einspruch hin bestätigt oder kommt auch eine Verböserung in Betracht, so hat dies allenfalls eine Bestätigung der VZ-Festsetzung, nicht aber deren – rechtlich zulässige – Verböserung zur Folge. Dies widerspricht dem Sinn des VZ.
3.4.2.2 Keine Anfechtung der VZ-Festsetzung
Rz. 68
Wird im Einspruchsverfahren gegen den als Bemessungsgrundlage dienenden Bescheid dieser aufgehoben oder geändert, so kann sich dies auf die Festsetzung des VZ auch dann auswirken, wenn diese nicht gesondert angefochten und damit bestandskräftig geworden ist. Die Korrekturmöglichkeit des § 130 Abs. 1 AO ist unabhängig von der Bestandskraft. Hiernach "kann" die Finanzbehörde die Festsetzung ändern. Die Entscheidung liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Bei der Ausübung des Ermessens hat die Finanzbehörde den Zweck der Ermächtigung zu berücksichtigen. Zweck des § 130 Abs. 1 AO ist es, rechtswidrige belastende Verwaltungsakte, soweit die Rechtswidrigkeit reicht, zu beseitigen und die materiell richtige Entscheidung herbeizuführen. Durch die Ermächtigung zur Ermessensausübung wird dem Rechtsgrundsatz der Bestandskraft auch...