3.4.2.1 Anfechtung der VZ-Festsetzung
Rz. 64
Solange der als Bemessungsgrundlage dienende Bescheid infolge eines Einspruchs nicht bestandskräftig geworden ist, steht die Bemessungsgrundlage unter dem Vorbehalt einer Änderung im anhängigen Einspruchsverfahren. Ist außerdem die Festsetzung des VZ angefochten, so ergibt sich hier eine gewisse Akzessorietät:
Rz. 65
- Wird auf den Einspruch hin der Bescheid ganz aufgehoben, so ist der Einspruch gegen die VZ-Festsetzung begründet, da keine Bemessungsgrundlage mehr vorhanden ist. Ergeht aber ein ersetzender, nunmehr als Bemessungsgrundlage dienender Bescheid, so kann – da es sich hierbei dann um eine erste Festsetzung oder Feststellung handelt – auch wieder ein VZ festgesetzt werden. Allerdings ist eine Erhöhung des VZ, also eine für den Stpfl. nachteiligere Entscheidung, grundsätzlich ermessensfehlerhaft.
Rz. 66
- Wird auf den Einspruch hin der Bescheid teilweise aufgehoben oder geändert, also eine niedrigere Festsetzung der Steuer oder des Messbetrags bzw. eine anderweitige gesonderte Feststellung vorgenommen, die zu einer geringeren steuerlichen Auswirkung führt, so muss die Finanzbehörde auf den Einspruch gegen die Festsetzung des VZ hin eine erneute Ermessensabwägung vornehmen. Es ist rechtlich nicht ausgeschlossen, dass diese Neubewertung zu einer Bestätigung der VZ-Festsetzung oder gar zu einer Erhöhung führen kann. Dies wird aber erheblichen Begründungsaufwand auslösen und regelmäßig nicht geboten sein. Grundsätzlich wird demgemäß, da die Bemessungsgrundlage nur eines der vorgegebenen Ermessenskriterien ist und sich eine Minderung des Ausgangswerts auf die übrigen Kriterien, insbesondere auf die Frage der Vorteilsziehung, auswirkt, eine nur lineare Minderung der VZ-Festsetzung ermessensfehlerhaft sein.
Rz. 67
- Wird der als Bemessungsgrundlage dienende Bescheid auf den Einspruch hin bestätigt oder kommt auch eine Verböserung in Betracht, so hat dies allenfalls eine Bestätigung der VZ-Festsetzung, nicht aber deren – rechtlich zulässige – Verböserung zur Folge. Dies widerspricht dem Sinn des VZ.
3.4.2.2 Keine Anfechtung der VZ-Festsetzung
Rz. 68
Wird im Einspruchsverfahren gegen den als Bemessungsgrundlage dienenden Bescheid dieser aufgehoben oder geändert, so kann sich dies auf die Festsetzung des VZ auch dann auswirken, wenn diese nicht gesondert angefochten und damit bestandskräftig geworden ist. Die Korrekturmöglichkeit des § 130 Abs. 1 AO ist unabhängig von der Bestandskraft. Hiernach "kann" die Finanzbehörde die Festsetzung ändern. Die Entscheidung liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Bei der Ausübung des Ermessens hat die Finanzbehörde den Zweck der Ermächtigung zu berücksichtigen. Zweck des § 130 Abs. 1 AO ist es, rechtswidrige belastende Verwaltungsakte, soweit die Rechtswidrigkeit reicht, zu beseitigen und die materiell richtige Entscheidung herbeizuführen. Durch die Ermächtigung zur Ermessensausübung wird dem Rechtsgrundsatz der Bestandskraft auch rechtswidriger Verwaltungsakte Rechnung getragen. Dieser soll nicht durch ständige Korrektur des Verwaltungsakts ausgehöhlt werden. Eine Änderung der Festsetzung des VZ als Folge der Änderung der Bemessungsgrundlage würde dem Zweck der Ermächtigung aber nicht widersprechen. Die Bemessungsgrundlage war noch nicht bestandskräftig, sondern stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung im Einspruchsverfahren. Unter diesem Vorbehalt stand somit inzidenter auch die i. d. R. vor Eintritt der Bestandskraft der Bemessungsgrundlage vorgenommene Festsetzung des VZ. Der VZ kann insoweit als akzessorisch zur Steuerfestsetzung angesehen werden. Wenn man hier nicht schon eine stillschweigende Bedingung annehmen will, wird man zumindest davon ausgehen müssen, dass sich der Ermessensspielraum der Finanzbehörde hinsichtlich der vollständigen oder teilweisen Rücknahme des Verspätungszuschlags in diesem Fall auf Null reduziert. Für die Finanzbehörde besteht bei einer Minderung der Bemessungsgrundlage im Einspruchsverfahren eine Verpflichtung zur Überprüfung der VZ-Festsetzung. Der Beteiligte hat einen Rechtsanspruch auf wiederholte Prüfung der Zumessungskriterien.
Rz. 69
Die Behörde muss demnach die Korrektur der VZ-Festsetzung von Amts wegen vornehmen. Unterlässt sie dies, so ist jedenfalls die Ablehnung eines Antrags auf Rücknahme der VZ-Festsetzung entsprechend der Veränderung der Bemessungsgrundlage ermessensfehlerhaft. Der VZ ist zwingend herabzusetzen, wenn er infolge einer Korrektur der Bemessungsgrundlage die durch § 152 Abs. 2 und 4 AO gezogenen Grenzen überschreitet.
Rz. 70
Hinsichtlich des Umfangs der Korrektur ergibt sich eine gewisse Bindung der Finanzbehörde. Sie kann nun nicht mehr – anders als wenn die Festsetzung des VZ ebenfalls angefochten ist – ihr Ermessen hinsichtlich der Beurteilungskriterien zulasten des Beteiligten erneut ausüben. Soweit die einzelnen Zumessungsgesichtspunkte durch die Minderung der Bemessungsgrundlage nicht be...