Rz. 71

Wird der als Bemessungsgrundlage dienende bestandskräftige Bescheid teilweise aufgehoben oder zugunsten des Stpfl. geändert, so ist die Festsetzung des VZ rechtswidrig. Diese Rechtswidrigkeit ist im Rahmen der Ermessensausübung bei der Prüfung, ob nach § 130 Abs. 1 eine teilweise Rücknahme des VZ in Betracht kommt, zu würdigen. Die Bestandskraft der VZ-Festsetzung steht diesem nicht generell entgegen.[1] Dies gilt auch dann, wenn die Finanzbehörde die an sich erforderliche Korrektur einzelner Bescheide aus verfahrensökonomischen Gründen unterlässt und die steuerliche Auswirkung in einem anderen Bescheid zugunsten des Stpfl. erfasst.[2]

 

Rz. 72

Die Ermessensausübung wird hier bestimmt durch den Zweck des VZ, nämlich den zeitnahen Beginn des Besteuerungsverfahrens zu sichern. Dieses Besteuerungsverfahren war aber mit dem Erlass des ersten auf die nicht oder verspätet abgegebene Steuererklärung folgenden Bescheids abgeschlossen. Die spätere Korrektur dieses Bescheids stellt einen neuen Verfahrensabschnitt dar[3], der mit dem pflichtwidrigen Verhalten nicht mehr in Zusammenhang steht. Die spätere Veränderung einer bestandskräftigen Bemessungsgrundlage kann sich deshalb grundsätzlich nicht mehr auf den VZ auswirken. Im Interesse des Rechtsfriedens muss hier der Stpfl. den Nachteil daraus hinnehmen, dass er den als Bemessungsgrundlage dienenden Verwaltungsakt nicht angefochten hat. Die Ablehnung einer teilweisen Rücknahme des VZ ist deshalb i. d. R. nicht rechtswidrig.

 

Rz. 73

Ein Anspruch auf Rücknahme der VZ-Festsetzung ist nur dann gegeben, wenn die Offensichtlichkeit und Schwere des Rechtsverstoßes diese rechtfertigen.[4] Ermessensfehlerhaft würde die Ablehnung allerdings dann sein, wenn die Unrichtigkeit der ersten Bemessungsgrundlage ausschließlich auf das fehlerhafte Verhalten der Finanzbehörde zurückzuführen wäre. Im Übrigen ist im Rahmen der zweckgerechten Ermessensausübung zwingend, dass die teilweise Rücknahme dann erfolgen muss, wenn der festgesetzte Verspätungszuschlag die gesetzlich fixierte 10 %-Grenze, bezogen auf die neue Bemessungsgrundlage, überschreitet.

 

Rz. 74

Erfolgt eine Änderung der Bemessungsgrundlage zuungunsten des Stpfl., so kommen eine völlige Rücknahme und eine gleichzeitige Festsetzung eines höheren Verspätungszuschlags nicht in Betracht.[5] An diesen zweiten Steuerbescheid, Steuermessbescheid bzw. Feststellungsbescheid kann eine Festsetzung des Verspätungszuschlags nicht angeknüpft werden. In einem solchen Fall fehlt der Kausalzusammenhang zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten und der Korrektur der Bemessungsgrundlage.

 

Rz. 75

Wird der als Bemessungsgrundlage dienende Verwaltungsakt ganz aufgehoben, so muss bei zweckgerechter Ermessensausübung auch die Festsetzung des VZ zurückgenommen werden. Dies kann aber dann nicht gelten, wenn die Festsetzung der Steuer oder des Messbetrags bzw. die gesonderte Feststellung durch eine andere ersetzt[6] wird. Die Ablehnung der Rücknahme wird insoweit nicht ermessensfehlerhaft sein. Entsprechend der für die Änderung zugunsten des Stpfl. getroffenen Regelung hat aber ggf. eine teilweise Rücknahme zu erfolgen.

[2] BFH v. 16.5.1995, XI R 73/94, BStBl II 1996, 259 für die unterbliebene Korrektur von einzelnen USt-Voranmeldungen und die Erfassung im Jahressteuerbescheid.
[4] BFH v. 9.3.1989, VI R 101/84, BStBl II 1989, 749; a. A. Wilke, BB 1979, 935; Wilke, BB 1980, 358, der auch hier einen Rechtsanspruch auf Korrektur des VZ annehmen will; wegen der deklaratorischen Bedeutung der Wiederholung des VZ s. FG Düsseldorf v. 14.6.1966, IV 68/65 A, EFG 1966, 489.

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