Rz. 136
Die VZ-Festsetzung ist ein gegenüber dem als Bemessungsgrundlage dienenden Bescheid ein rechtlich selbstständiger Verwaltungsakt. Demgemäß erstreckt sich dessen etwaige Anfechtung nicht automatisch auf die Festsetzung des VZ. Hiergegen ist vielmehr gesondert Einspruch einzulegen. Der Wille, neben der Anfechtung des Steuerbescheids auch die VZ-Festsetzung anfechten zu wollen, muss zweifelsfrei erkennbar werden. Lehnt die Finanzbehörde eine beantragte Korrektur der VZ-Festsetzung ab, so ist hiergegen ebenfalls der Einspruch gegeben. Trifft die Behörde auf den Antrag hin keine Entscheidung, ist der Untätigkeitseinspruch zulässig.
Rz. 137
Vorläufiger Rechtsschutz kann nach § 361 AO durch eine Aussetzung der Vollziehung beantragt werden. Die Finanzbehörde muss die Vollziehung der VZ-Festsetzung aussetzen, wenn der als Bemessungsgrundlage dienende Bescheid angefochten und sie für diesen Bescheid Aussetzung der Vollziehung gewährt hat. Die hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Bemessungsgrundlage bestehenden ernstlichen Zweifel setzen sich automatisch hinsichtlich der VZ-Festsetzung fort. Die Finanzbehörde muss die Vollziehung auch dann aussetzen, wenn sie für die VZ-Festsetzung keine Begründung gegeben hat. Eine nicht begründete Ermessensentscheidung ist im Regelfall ermessensfehlerhaft, sodass stets ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit i. S. v. § 361 Abs. 2 AO bestehen.
Rz. 138
Aufgrund des Einspruchs hat die Finanzbehörde die VZ-Festsetzung in vollem Umfang erneut zu überprüfen. Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einspruch.
Rz. 139
Hinsichtlich der Ermessensausübung darf die Finanzbehörde sich allerdings nicht nur auf die Überprüfung beschränken, sondern sie hat ihr Ermessen erneut auszuüben und zu begründen. Hierdurch werden Mängel der bisherigen Ermessensausübung und -begründung geheilt. In der Praxis der Festsetzung von VZ erfolgt regelmäßig die Darlegung von Ermessenserwägungen erstmals im Einspruchsverfahren.
Rz. 140
Im finanzgerichtlichen Verfahren kann nach § 102 S. 2 FGO die gegebene Begründung ergänzt werden. Die Vorschrift gestattet allerdings lediglich eine Nachbesserung zuvor bereits angestellter Ermessenserwägungen, erlaubt der Finanzbehörde jedoch nicht, bei zuvor unvollständiger Sachverhaltsermittlung auf der Basis eines geänderten Sachverhalts neue Erwägungen anzustellen.
Rz. 141
Die erneute Ermessensausübung erfordert eine Neubewertung der Ermessenskriterien (s. Rz. 76ff.). Dies kann dazu führen, dass die VZ-Festsetzung im Ergebnis bestätigt und der Einspruch als unbegründet abgewiesen wird. Hierbei sind an die Begründungspflicht der Finanzbehörde in der Einspruchsentscheidung aber erhöhte Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist dann eine detaillierte Auseinandersetzung mit den einzelnen Beurteilungskriterien.
Rz. 142
§ 367 Abs. 2 S. 2 AO eröffnet der Finanzbehörde bei einer Neubewertung der Ermessenskriterien aufgrund des Einspruchs grundsätzlich auch die Möglichkeit der Verböserung der VZ-Festsetzung. Diese widerspricht jedoch regelmäßig dem Zweck des VZ, die rechtzeitige Ingangsetzung des Besteuerungsverfahrens zu sichern. Im Rahmen der Ermessensausübung ist dieses Kriterium bereits gewürdigt und bemessen worden. Die in einer Verböserung liegende zusätzliche Belastung ist einer rückwirkenden Beseitigung einer Begünstigung gleichwertig, die im Interesse des Vertrauensschutzes nach § 130 Abs. 2 AO aber nur eingeschränkt zulässig ist. Im Einspruchsverfahren ist diese Einschränkung zu beachten. Eine nachteiligere VZ-Festsetzung kommt demgemäß ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn die angefochtene "günstigere" Festsetzung durch Angaben des Stpfl. bewirkt worden ist, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. Möglich ist dies nur bei den für die Verschuldensfrage vom Stpfl. vorgetragenen Gründen. Alle übrigen Festsetzungsvoraussetzungen sind objektiv feststellbar und demgemäß unabhängig von Angaben des Stpfl.
Rz. 143
Im finanzgerichtlichen Klageverfahren kann nachfolgend die Ermessensausübung nur dahin gehend überprüft werden, ob eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensfehlgebrauch vorliegt. Ob die Behörde innerhalb dieser Grenzen ihr Ermessen auch hätte anders ausüben können, ist für die finanzgerichtliche Entscheidung ohne Bedeutung. Das FG darf eigenes Ermessen nicht ausüben.
Rz. 144
Maßgeblich ist hier die Begründung in der Einspruchsentscheidung als letzter Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung. Abweichende Begründungen in der VZ-Festsetzung verlieren hierdurch ihre rechtliche Bedeutung. Die Einspruchsentscheidung verleiht nach § 44 Abs. 2 FGO der VZ-Festsetzung die abschließende Gestalt, sodass sie bei einer Widersprüchlichkeit gegenüber der Begründung in der VZ-Festsetzung die Entscheidungsgrundlage für das FG bildet.
Rz. 145
Das FG ist allerdings hinsichtlich der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die VZ-Festsetzung nicht eingeschrän...