Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 57
Besondere Regeln für die Anwendung des § 160 AO bestehen, wenn Gläubiger oder Leistungsempfänger eine Basisgesellschaft (Domizilgesellschaft, Zwischengesellschaft) ist. Eine Basisgesellschaft ist eine Gesellschaft, die selbst nicht in nennenswertem Umfang wirtschaftlich tätig ist.
Rz. 58
Einer Basisgesellschaft, die selbst nicht in nennenswertem Umfang wirtschaftlich tätig wird, sind Wirtschaftsgüter und Einkünfte steuerlich i. d. R. nicht zuzurechnen. Steuerlich zu erfassen sind die Einkünfte vielmehr bei der Person, die die Basisgesellschaft in den Lieferungs- und Leistungsverkehr zwischengeschaltet hat. Die Benennung der Basisgesellschaft als "Empfänger" genügt daher nicht den Anforderungen des § 160 AO. Vielmehr ist die hinter der Basisgesellschaft stehende Person als der steuerlich Berechtigte und Verpflichtete zu benennen. Für den Stpfl. besteht bei Basisgesellschaften ein hinreichender Anlass, sich bei Aufnahme der Geschäftsbeziehungen bzw. bei Zahlungen sich über den Vertragspartner bzw. wahren Zahlungsempfänger zu versichern.
Rz. 59
Voraussetzung der Anwendung des § 160 AO auf Basisgesellschaften ist, dass das FA nachweist, dass es sich bei dem Geschäftspartner tatsächlich um eine Basisgesellschaft handelt, d. h. um eine Gesellschaft ohne nennenswerte eigene wirtschaftliche Betätigung. Das kann durch den Nachweis geschehen, dass der Geschäftspartner weder über eigene Büroräume ("Briefkastengesellschaft") noch über die personellen und sächlichen Ressourcen verfügt, die erforderlich sind, die Leistungen zu erbringen, für die die Vergütung gezahlt wurde. Keine Basisgesellschaft liegt vor, wenn die Gesellschaft lediglich in dem Staat ihres Sitzes keine wirtschaftliche Betätigung entfaltet, wohl aber in anderen Staaten.
Rz. 60
Liegt danach eine Basisgesellschaft vor, gelten folgende Grundsätze:
Bei einer Basisgesellschaft besteht aufgrund der Lebenserfahrung Grund zu der Annahme, dass der Empfänger der Zahlung diese nicht versteuern wird, d. h. dass die Einschaltung der Basisgesellschaft der Vermeidung der Besteuerung dient. Wenn der Stpfl. erkennen kann, dass sein Geschäftspartner eine Basisgesellschaft ist, kann er auch erkennen, dass die Gefahr besteht, dass die an die Basisgesellschaft geleistete Zahlung nicht versteuert wird.
Rz. 61
Handelt es sich um eine Basisgesellschaft, gilt die Vermutung, dass dadurch die Gefahr von Steuerverkürzungen besteht, auch dann, wenn es sich um ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EG handelt. Eine Basisgesellschaft nimmt nicht mit eigenen Ressourcen am wirtschaftlichen Verkehr teil und ist daher durch die Grundfreiheiten, die wirtschaftliche Tätigkeiten ermöglichen sollen, nicht geschützt. Allerdings kann aus der Tatsache, dass das in einem EU-Staat gegründete Unternehmen als Geschäftsadresse seinen Ort in einem anderen EU-Staat angibt, angesichts der Niederlassungsfreiheit, Art. 43 EGV, Art. 49 AEUV, kein negativer Schluss gezogen werden, auch nicht, wenn die Steuerbelastung in dem Sitzstaat der Gesellschaft wesentlich niedriger ist als in Deutschland.
Rz. 62
Ist daher von der Finanzbehörde positiv festgestellt, dass es sich um eine Basisgesellschaft ohne wirtschaftliche Funktion handelt, ist ein Benennungsverlangen auch dann rechtmäßig, wenn die Basisgesellschaft in einem EU-Staat ansässig ist. Einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten stellen nur belastende Vermutungen aufgrund der Ansässigkeit im Ausland dar.
Rz. 63
Gleiche Grundsätze wie für Gesellschaften in EU-Staaten gelten für Gesellschaften, die in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (Liechtenstein, Norwegen, Island) ansässig sind. Im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsraums gelten die Grundfreiheiten entsprechend; sie werden nach den gleichen Grundsätzen wie für EU-Gesellschaften ausgelegt. Die Vermutung, eine in einem EWR-Staat ansässige Gesellschaft sei eine Basisgesellschaft, verstößt gegen die Grundfreiheiten. Das gilt auch für die liechtensteinische Anstalt; die bloße Vermutung, eine solche Anstalt sei lediglich zur Steuerersparnis eingeschaltet, stellt eine unzulässige Diskriminierung dar.
Rz. 64
Unproblematisch sind die Fälle, in denen der Stpfl. selbst die hinter der Basisgesellschaft stehende Person ist. Es besteht dann kein Zweifel, dass ihm die Geschäfte selbst zuzurechnen sind. Ebenfalls unproblematisch ist der Fall, dass der Stpfl. erkennen konnte, dass sein Geschäftspartner eine Basisgesellschaft ist oder jedenfalls erhebliche Anhaltspunkte dafür vorlagen. Hier muss sich der Stpfl. nach den geschilderten Grundsätzen bei Geschäftsabschluss über die hinter der Basisgesellschaft stehenden Personen vergewissern. Tut er dies nicht, hat er die steuerlichen Folgen zu tragen. Gleiches gilt, wenn die Umstände des Geschäfts verdachterregende Besonderheiten aufweisen.
Rz. 65
Gleiche Grundsätze gelten für den Fall, dass die Gesellschafter der Basisgesellschaft die Anteile nur treuhänderisch für Dritte halten und die Funktion der Gesellsc...