Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 72
Die Benennung des Gläubigers bzw. Zahlungsempfängers ist dem Stpfl. grundsätzlich zuzumuten. Er kann sich nicht darauf berufen, bei Benennung wirtschaftliche Nachteile (z. B. Verlust der Geschäftsbeziehung) zu erleiden oder ein Ehrenwort geleistet zu haben. Die Rechtsordnung schützt nur ein ordnungsmäßiges Verhalten; Vorteile, die sich aus einem unlauteren Geschäftsgebaren ergeben (z. B. einer für den Stpfl. günstigen Geschäftsverbindung, die dem Partner Hinterziehung von Steuern ermöglicht), sind von der Rechtsordnung nicht geschützt. Das Verlangen der Empfängerbenennung wird auch nicht dadurch ermessensfehlerhaft, dass ausländische Rechtsnormen das Offenbaren verbieten.
Rz. 73
Andererseits ist ein Benennungsverlangen unzumutbar und unverhältnismäßig, wenn der Stpfl. auch bei ordnungsmäßigem Geschäftsgebaren den Namen des Empfängers nicht kennt, weil dies nach den rechtmäßigen Usancen des jeweiligen Geschäftszweigs nicht üblich ist. Unverhältnismäßig ist ein Benennungsverlangen auch dann, wenn dem Stpfl. von öffentlichen Stellen bescheinigt worden ist, dass der Geschäftspartner seine sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen Pflichten erfüllt hat und dass gegen die Erteilung öffentlicher Aufträge keine Bedenken bestehen.
Rz. 74
Die Benennung des Gläubigers bzw. Zahlungsempfängers kann auch in Ausnahmefällen für den Stpfl. unzumutbar sein. Das ist etwa der Fall, wenn hierdurch die wirtschaftliche Existenz des Stpfl. gefährdet wäre, etwa wenn die Versorgung durch den ordentlichen Markt zusammengebrochen ist und die Benennung die Bezugsquellen des Stpfl. auf dem Schwarzmarkt verschütten würde. Es muss sich aber immer um außergewöhnliche Notsituationen aufgrund objektiver Krisen handeln. Nur den einzelnen Stpfl. treffende (finanzielle) Krisen machen die Benennung nicht unzumutbar.
Rz. 75
Unzumutbar kann das Benennungsverlangen jedoch auch sein, wenn damit für den Stpfl. erhebliche finanzielle Nachteile verbunden sind, z. B. die Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz während es sich nur um verhältnismäßig geringfügige steuerliche Auswirkungen handelt.
Rz. 76
Die Benennung kann auch unzumutbar sein, wenn hiermit eine konkrete Gefährdung von Leib und Leben des Stpfl. oder seiner Angehörigen oder eine Bedrohung seines Eigentums verbunden ist (Bedrohung, Attentatsdrohung usw.); nur eine allgemeine, nicht auszuschließende Gefährdung reicht nicht aus.
Rz. 77
Unzumutbar ist das Benennungsverlangen auch dann, wenn es sich um eine Vielzahl von Kleinbeträgen handelt, deren steuerliche Auswirkung in jedem Einzelfall nur gering sein kann. Bei größeren Zahlungen (im Streitfall: ab 800 EUR) ist das Benennungsverlangen aber immer ermessensgerecht.
Rz. 78
Die Nichtbenennung (bzw. fehlerhafte Benennung) kann auch dann folgenlos sein, wenn der Stpfl. selbst über die Person des Gläubigers bzw. Empfängers getäuscht worden ist. Das gilt aber nur, wenn dem Stpfl. nicht zuzumuten war, die Täuschung zu bemerken und die Identität des Gläubigers bzw. Empfängers zu ermitteln. Je ungewöhnlicher der Geschäftsvorfall und damit die Gefahr der Nichtversteuerung durch den Gläubiger bzw. Zahlungsempfänger ist, desto eher ist dem Stpfl. die Feststellung von dessen Identität zuzumuten.
Rz. 79
Es ist nicht grundsätzlich ermessensfehlerhaft, wenn die Finanzbehörde nach jahrelanger Nichtbeanstandung erstmals die Benennung des Gläubigers bzw. Empfängers verlangt. Aus dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung ergibt sich, dass die Finanzbehörde für jeden Besteuerungsabschnitt neu und ohne Bindung an vorangegangene Entscheidungen entscheiden kann. Ist jedoch zwischen der Zahlung und dem Veranlagungszeitraum ihrer steuerlichen Auswirkung, z. B. bei Abschreibungen, ein sehr langer Zeitraum vergangen, kann dies im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen sein.