Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 99
Entsprechend den zwei Stufen der Anwendung des § 160 AO in der hier vertretenen Auslegung ist auch das Rechtsbehelfsverfahren gestaltet. Gegen das Verlangen auf Benennung des Empfängers usw. ist selbstständig der Einspruch gegeben. Zur gegenteiligen Ansicht der Rechtsprechung vgl. Rz. 92.
Rz. 100
Ist der Verwaltungsakt des Benennungsverlangens bestandskräftig, kann gegen den Steuerbescheid nicht mehr geltend gemacht werden, das Verlangen sei ermessensfehlerhaft gewesen. Im Rahmen der Anfechtung des Steuerbescheids kann nur die Ermessensausübung hinsichtlich der Rechtsfolge geprüft werden. Über die Art der Folgerungen aus dem Nichterfüllen dieses Verlangens wird bei der Steuerfestsetzung entschieden; diese Entscheidung ist daher ein unselbstständiger Teil der Steuerfestsetzung und damit nicht selbstständig anfechtbar, sondern nur zusammen mit der Steuerfestsetzung.
Rz. 101
Nach § 96 Abs. 1 S. 1 FGO ist § 160 AO auch im finanzgerichtlichen Verfahren anwendbar. Das bedeutet, dass das FG, abweichend von der grundsätzlichen Regelung des § 102 FGO, selbst nach seinem Ermessen entscheiden kann, ob § 160 AO angewandt werden soll und welche Folgerungen im konkreten Fall hieraus gezogen werden sollen. Das FG kann auch in eigenem Ermessen entscheiden, ob ein Benennungsverlangen an den Stpfl. zu richten ist. Es ist dies eine mit dem System des gerichtlichen Rechtsschutzes nicht in Einklang stehende Ausnahme vom Grundsatz, dass ein Gericht sein Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens der Finanzbehörde setzen darf, sondern nur die Grenzen des behördlichen Ermessens nachzuprüfen hat. Dem Wortlaut des Gesetzes entspricht es aber besser, § 96 Abs. 1 S. 1 FGO als lex specialis zu § 102 FGO zu sehen und aufgrund dieser ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung die Ermessensausübung durch das Gericht zuzulassen.
Rz. 102
Das FG hat bei Anwendung des § 160 AO aufgrund der vorliegenden Unterlagen und Beweismittel in freier Beweiswürdigung über den Sachverhalt zu entscheiden. Das FG ist nicht an bestimmte Beweisregeln gebunden. Das Revisionsgericht kann lediglich nachprüfen, ob das FG von einem unzureichend aufgeklärten Sachverhalt ausgegangen ist oder ob es bei seiner Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat. Die Beweiswürdigung selbst, wenn sie diesen Grundsätzen entspricht und daher schlüssig ist, kann das Revisionsgericht nicht nachprüfen, auch wenn eine andere Beweiswürdigung denkbar wäre.
Rz. 103
Zuständig ist das erstinstanzliche Gericht. Die Revisionsinstanz kann nur prüfen, ob das FG die Ermessensgrenzen eingehalten hat. Macht das FG von § 160 AO pflichtwidrig keinen Gebrauch, liegt hierin kein Verfahrensfehler, sondern ein materieller Rechtsfehler. Die Zulassung der Revision kann daher nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wegen eines Verfahrensfehlers geltend gemacht werden, sondern nur wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, oder zur Fortbildung des Rechts bzw. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.
Rz. 104
Der Stpfl. kann die dem § 160 AO entsprechende Benennung des Gläubigers bzw. Zahlungsempfängers bis zur letzten mündlichen Tatsachenverhandlung vor dem FG nachholen.