Rz. 122
Wird der Vorbehalt nicht ausdrücklich aufgehoben, entfällt er nach § 164 Abs. 4 S. 1 AO mit Ablauf der Festsetzungsfrist. Zur Wirkung des Wegfalls des Vorbehalts wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist vgl. Rz. 130. Bei Berechnung der Festsetzungsfrist für die Entscheidung der Frage, ob der Vorbehalt entfallen ist, sind die § 169 Abs. 2 S. 2 AO, § 170 Abs. 6 AO und§ 171 Abs. 7, 8 und 10 AO nicht zu berücksichtigen, wohl aber die übrigen Vorschriften über die Ablaufhemmung, wie § 171 Abs. 3, 4 AO.
Rz. 123
Die Nichtanwendung des § 169 Abs. 2 S. 2 AO bedeutet, dass sich die Länge der zu berücksichtigenden Festsetzungsfrist nicht nach der für den konkreten Steuerfall geltenden Festsetzungsfrist bemisst. Vielmehr ist die regelmäßige gesetzliche Festsetzungsfrist maßgebend. Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt daher bei Verbrauchsteuerbescheiden nach einem Jahr, bei den übrigen Steuern nach 4 Jahren zuzüglich einer etwaigen Anlaufhemmung. Das hat zur Folge, dass in den Fällen der Steuerhinterziehung und der leichtfertigen Steuerverkürzung der Vorbehalt nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist entfällt, dass aber wegen der verlängerten Festsetzungsfristen die Festsetzungsfrist für den Bescheid noch nicht abgelaufen ist. Dies kann sowohl für die Verwaltung als auch den Stpfl. Rechtsnachteile mit sich bringen. Die Finanzverwaltung kann dann Änderungen des Verwaltungsakts nur vornehmen, wenn der Tatbestand einer Änderungsvorschrift, §§ 172ff. AO, erfüllt ist. Der Stpfl. kann durch Wegfall des Vorbehalts an den Inhalt des Steuerbescheids gebunden sein, weil der Wegfall des Vorbehalts durch Ablauf der regulären Festsetzungsfrist keiner Steuerfestsetzung gleichsteht, daher nicht die Möglichkeit eines Einspruchs eröffnet. Soweit die Änderung reicht, kann der Stpfl. nach § 351 Abs. 1 AO aber den geänderten Steuerbescheid angreifen.
Rz. 124
Bei der Berechnung der Festsetzungsfrist, die zum Wegfall des Vorbehalts führt, ist auch § 170 Abs. 6 AO nicht zu berücksichtigen. Diese Regelung ist durch G. v. 22.12.2014 eingeführt worden und gilt für alle nach dem 31.12.2014 beginnende Festsetzungsfristen. § 170 Abs. 6 AO schiebt den Beginn der Festsetzungsfrist für die Besteuerung ausländischer Kapitalerträge, die nicht aus der EU bzw. dem EWR stammen und die nicht automatisch mitgeteilt werden, bis zu dem Zeitpunkt hinaus, zu dem die Finanzbehörde von diesen Einkünften Kenntnis erhält, maximal für 10 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Die Ergänzung des § 164 Abs. 4 AO soll verhindern, dass der Stpfl. bei Bekanntwerden der ausländischen Kapitalerträge aus seinem steuerunehrlichen Verhalten dadurch Vorteile erlangt, dass er über § 164 Abs. 2 AO anderweitige Steuerminderungen, z. B. aus Rechtsprechungsänderungen, geltend machen kann. Aus systematischer Sicht ist die Vorschrift überflüssig. Die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 6 AO gilt nur für die Einkünfte aus den ausländischen Kapitalerträgen. Für die übrigen Besteuerungsgrundlagen beginnt die Festsetzungsfrist also zu laufen und läuft demgemäß früher ab. Bei einer Änderung der Steuerfestsetzung nach Ablauf der für die anderen Besteuerungsgrundlagen geltenden Festsetzungsfrist können insoweit Änderungen nicht mehr berücksichtigt werden, da die diesbezügliche Steuer bzw. Steuererstattungsansprüche nach § 47 AO erloschen sind. Andererseits hat die Regelung in § 164 Abs. 4 AO zur Folge, dass die Finanzverwaltung die Steuerfestsetzung nicht mehr nach § 164 Abs. 2 AO ändern kann, wenn die ausländischen Kapitalerträge bekannt werden. Die Finanzverwaltung ist darauf angewiesen, dass ein Änderungstatbestand nach §§ 172ff. AO erfüllt ist.
Rz. 125
Ebenfalls nicht zu berücksichtigen ist die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 7 AO wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit. Der Stpfl. kann also den Umstand, dass er steuerunehrlich gehandelt hat, nicht dazu ausnutzen, über § 164 Abs. 2 AO eine für ihn günstige Änderung der Steuerfestsetzung hinsichtlich anderer Besteuerungsgrundlagen zu erreichen.
Rz. 126
Auch die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 8 AO wegen vorläufiger Steuerfestsetzung nach § 165 AO verhindert den Wegfall des Vorbehalts der Nachprüfung nicht. Systematisch ist das richtig, da die Vorläufigkeit immer nur einzelne Punkte betrifft, der Vorbehalt aber umfassend wirkt. Den Vorbehalt bestehen zu lassen, weil wegen einzelner Punkte noch Unklarheit besteht, wäre systemwidrig.
Rz. 127
Der Vorbehalt bleibt auch nicht deshalb bestehen, weil noch eine Ablaufhemmung wegen Ergehens eines Grundlagenbescheids nach § 171 Abs. 10 AO eingreift. Auch diese Ablaufhemmung wirkt nur punktuell. Es ist daher systematisch richtig, dass sie die umfassende Änderungsmöglichkeit nach § 164 Abs. 2 AO nicht erhalten kann.
Rz. 128
Auch bei Bescheiden über die gesonderte (und einheitliche) Feststellung von Besteuerungsgrundlagen i. S. d. §§ 179 Abs. 1, Abs. 2 S. 2, 180 AO entfällt der Vorbehalt der Nachprüfung nach § 181 Abs. 1 S. 1 AO i. V. m. § 164 Abs. 4 S...