Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 10
Im Gegensatz zu §§ 173ff. AO besteht bei rechtswidrigen Verbrauchsteuerbescheiden, die die Verbrauchsteuer zu niedrig festsetzen, keine unbedingte Pflicht der Finanzbehörde zur Korrektur. Die Änderung der Verbrauchsteuerbescheide liegt im Ermessen der Verwaltung. Bei der Ermessensentscheidung ist zu berücksichtigen, dass der Verbrauchsteuerbescheid unrichtig ist, also den Stpfl. begünstigt. Dies hat Auswirkungen auf die Position des Stpfl. im Wettbewerb, die bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind. Bei Durchführung der Nachforderung (Aufhebung und Änderung zuungunsten des Stpfl.) handelt die Verwaltung i. d. R. nicht ermessensfehlerhaft, da sie zu gesetzentsprechender Erhebung der Verbrauchsteuern, erforderlichenfalls also auch zur Nachforderung verpflichtet ist, und eine Besserbehandlung eines Stpfl. zu unberechtigten Wettbewerbsvorteilen und damit Wettbewerbsverzerrungen führen kann. Da die Finanzbehörde zu einer dem Gesetz entsprechenden Festsetzung und Erhebung der Verbrauchsteuer verpflichtet ist, ist eine Änderung eines Verbrauchsteuerbescheids zulasten des Stpfl. i. d. R. nicht ermessensfehlerhaft. Dadurch wird verhindert, dass die Wettbewerbsposition des Stpfl. gegenüber Wettbewerbern durch den Fehler der Finanzbehörde verbessert wird.
Ein Ermessensfehler kann nur bei besonderen Umständen wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben vorliegen; es genügt nicht, dass sich der Stpfl. auf die ursprüngliche Verbrauchsteuerberechnung verlassen und entsprechend kalkuliert hat. Ermessensfehlerhaft ist eine Änderung zulasten des Stpfl. danach nur, wenn der Stpfl. seine Verpflichtungen aus dem Verbrauchsteuergesetz erfüllt hat, also keinen Anlass für den Fehler der Finanzbehörde gegeben hat, und er aufgrund der besonderen Umstände, z. B. der Aussagen der Finanzbehörde, sich darauf verlassen konnte, dass die Festsetzung der Verbrauchsteuer materiell richtig ist. Keinesfalls ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt bei einer Nachforderung vor, wenn der Stpfl. eine unrichtige Steuererklärung (Steueranmeldung) abgegeben hat.
Es liegt auch nicht allein deshalb ein Ermessensfehler vor, weil der Steuerbescheid durch eine Einspruchsentscheidung bestätigt oder geändert wurde und er anschließend verbösert werden soll. Die Einspruchsentscheidung entfaltet insoweit keine erhöhte Bestandskraft; dies ist jedoch bedenklich, da der gesetzgeberische Grund für die geringe Bestandskraft (Massenverfahren ohne eingehende Prüfung) bei Einspruchsentscheidungen nicht vorliegt. Vgl. Rz. 101.