Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 17a
§ 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO enthält Änderungstatbestände für "andere" Steuern. "Andere" Steuern sind nach der durch Gesetz v. 20.12.2001 eingeführten Ergänzung nicht Einfuhr- und Ausfuhrabgaben i. S. d. Art. 5 Nr. 20, 21 ZK (im Wesentlichen: Zölle) und nicht Verbrauchsteuern. Für die Aufhebung oder Änderung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben gelten die Vorschriften des ZK, für Verbrauchsteuern § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO. Die Änderungstatbestände des § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 gelten somit für Besitz- und Verkehrsteuern und für Realsteuern.
Sachlich erfasst die Regelung alle Steuerbescheide über Besitz- und Verkehrsteuern sowie alle Verwaltungsakte, die wie Steuerbescheide behandelt werden, also auch Feststellungsbescheide, nicht aber Haftungsbescheide. Ebenfalls als Steuerbescheide behandelt werden nach § 155 Abs. 1 S. 2 AO Freistellungsbescheide und die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung. Auch diese Bescheide erwachsen in Bestandskraft und können, außer nach §§ 164 Abs. 2, 165 Abs. 2 AO, nur bei Vorliegen eines Tatbestands der §§ 172ff. AO geändert oder aufgehoben werden.
Rz. 17b
Die Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung kann durch Regelungen in den Einzelsteuergesetzen ausgeschlossen sein. So enthält § 41c Abs. 3 S. 4 EStG eine Sperre der Änderung der LSt-Anmeldung, wenn die LSt-Bescheinigung übermittelt oder ausgeschrieben worden ist. Lediglich unter bestimmten Voraussetzungen gilt diese Sperre nicht. Jedoch verhindert § 41c Abs. 3 S. 4 EStG nach seinem eindeutigen Wortlaut nur die Änderung der LSt-Anmeldung nach § 164 Abs. 2 S. 1 AO, nicht nach anderen Vorschriften. Eine Änderung nach § 172, §§ 173ff. AO ist also nicht ausgeschlossen.
3.1 Zustimmung bzw. Antrag des Steuerpflichtigen (schlichte Änderung)
3.1.1 Tatbestand
Rz. 18
Hinsichtlich anderer Abgaben als Zölle und Verbrauchsteuern können Bescheide nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a AO aufgehoben und geändert werden, wenn und soweit der Stpfl. zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird. Erfasst werden alle Steuerbescheide sowie Verwaltungsakte, die wie Steuerbescheide behandelt werden. Aufhebung oder Änderung des Verwaltungsakts nach § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO zugunsten des Stpfl. kann auch noch im Einspruchs- oder Klageverfahren erfolgen. Damit besteht die Möglichkeit, der Beschwer des Stpfl. auf einem verfahrensrechtlich einfachen Weg (Abhilfebescheid – keine Einspruchsentscheidung, kein Urteil) abzuhelfen. Dies ist durch Gesetz v. 22.12.1999 für alle bei Inkrafttreten des Gesetzes am 30.12.1999 offenen Fälle ausdrücklich ausgesprochen worden. Allerdings ergibt sich diese Rechtsfolge bereits aus § 132 AO; wenn dort bestimmt ist, dass die Vorschriften über Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten auch während eines Einspruchsverfahrens und während eines finanzgerichtlichen Verfahrens anwendbar sind, ist damit auch § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO in Bezug genommen. Die ausdrückliche Regelung durch Gesetz v. 22.12.1999 ist daher überflüssig.
Rz. 19
Zu der Frage, ob § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO auch auf Einspruchsentscheidungen anwendbar ist, Rz. 101ff.
Rz. 20
Zustimmen bzw. den Antrag stellen muss der Stpfl. als der am Verfahren Beteiligte. Sind von dem Steuerbescheid mehrere betroffen (zusammengefasste Steuerbescheide, z. B. bei Ehegatten), müssen alle Betroffenen ihre Zustimmung erklären. Bei einheitlichen und gesonderten Feststellungen müssen diejenigen Personen zustimmen, die nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO einspruchsbefugt sind (Geschäftsführer). Sind solche Personen nicht vorhanden, müssen alle nach § 352 Abs. 1 Nr. 2 AO einspruchsbefugten Personen zustimmen. Die übrigen einspruchsbefugten Personen brauchen nicht zuzustimmen. Zwar wäre es systematisch richtiger, auch diesen Personen ein Zustimmungsrecht zu geben und das Zustimmungsrecht daher vollständig an die Einspruchsbefugnis zu koppeln; dann wäre bei einheitlichen Feststellungen mit einer Mehrheit von Beteiligten das Änderungsverfahren aber praktisch nicht mehr handhabbar. Die Rechte dieser Personen werden dadurch gewahrt, dass sie gegen den Änderungsbescheid Einspruch einlegen können.
Rz. 20a
Beteiligte, die nach § 352 AO kein Einspruchsrecht haben, brauchen auch nicht zuzustimmen bzw. können den Änderungsantrag nicht stellen. § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO knüpft die Änderungsmöglichkeit an die Einspruchsfrist; die Änderung soll einen Einspruch überflüssig machen. Daher sind nicht einspruchsberechtigte Personen auch nicht zustimmungsbefugt.
Rz. 20b
Personen, die im Einspruchs- oder Klageverfahren notwendig hinzugezogen werden müssen, müssen bei einer schlichten Änderung im Einspruchs- oder Klageverfahren ebenfalls nicht zustimmen. Ihre Rechte werden durch Klagemöglichkeit gegen den Änderungsbescheid bzw. im finanzgerichtlichen Verfahren nach § 68 FGO gewahrt.
Rz. 21
Die Zustimmung bzw. der Antrag des Stpfl. ist eine verwaltungsrechtliche Wi...