Rz. 131

Abs. 4 regelt den Fall, dass ein Steuerbescheid aufgrund eines Rechtsbehelfs durch Einspruchsentscheidung bzw. gerichtliches Urteil oder auf Antrag des Stpfl. zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert worden ist. Die Folge einer solchen Änderung oder Aufhebung des ursprünglichen Bescheids ist eine "negative widerstreitende Steuerfestsetzung" weil ein Sachverhalt, aus dem nach Ansicht der Finanzbehörde steuerliche Folgen zu ziehen gewesen wären, jetzt vollständig ungeregelt bleibt. Um dies zu verhindern, können die richtigen steuerlichen Folgerungen durch Erlass eines neuen Steuerbescheids oder durch Änderung einer anderen Steuerfestsetzung oder durch Erlass oder Änderung mehrerer Steuerbescheide[1] aus diesem Sachverhalt (zu diesem Begriff vgl. Rz. 24) gezogen werden. Die zutreffenden Folgerungen können auch bei einer anderen Steuerart gezogen werden, z. B. weil ein Vermögenszuwachs nicht der ESt, wie fälschlich vom FA angenommen, sondern der ErbSt/SchenkungSt unterliegt.[2]

Die Änderungsvorschrift ist auf alle Teile des zu ändernden Steuerbescheids anzuwenden, also bei einem ESt-Bescheid nicht nur auf Art und Höhe der Einkünfte, sondern auch auf Tarifvorschriften wie tarifliche Steuerermäßigungen.[3] Allerdings ist der Begriff der "negativen widerstreitenden Steuerfestsetzung" nicht im strengen Sinn zu verstehen. Vielmehr können die richtigen steuerlichen Folgen auch dann gezogen werden, wenn der Sachverhalt auch nach der Änderung des irrigen Bescheids noch steuerlich erfasst worden ist, allerdings in einem anderen Bescheid in einer Weise, der nach der Änderung des "irrigen" Bescheids mit diesem nicht mehr vereinbar ist. Beispiele sind etwa die Änderung der Aktivierung oder der Abschreibungen in einem nachfolgenden Bescheid.[4]

 

Rz. 132

Rechtsgrund für die Änderungsmöglichkeit ist, dass der Stpfl. aufgrund seines Antrags eine Änderung einer Steuerfestsetzung zu seinen Gunsten erreicht hat und jetzt damit rechnen muss, dass der fragliche Sachverhalt in einem anderen Steuerbescheid berücksichtigt wird. Er darf nicht darauf vertrauen, dass dieser Sachverhalt gänzlich ungeregelt bleiben wird. Der Stpfl., der seine Rechtsansicht durchgesetzt hat, muss sich daran halten lassen und die damit verbundenen Nachteile hinnehmen.[5] § 174 Abs. 4 AO ist daher ein Ausdruck des Grundsatzes von Treu und Glauben.

 

Rz. 133

Da der Stpfl. mit der Änderung des zweiten Bescheids rechnen muss, ist es auch ohne Bedeutung, wer den Anlass für die Unrichtigkeit dieses Bescheids gegeben hat. Die Vorschrift greift daher auch ein, wenn die Finanzbehörde bei Erlass des nach § 174 Abs. 4 AO zu ändernden Bescheids unter Verletzung ihrer Aufklärungspflicht gehandelt hat.[6]

 

Rz. 134

§ 174 Abs. 4 und 5 AO ist ein selbstständiger Änderungstatbestand, der Änderungen erlaubt, die über die Fälle des § 174 Abs. 1-3 AO hinausgehen.[7]

 

Rz. 134a

Der Tatbestand des § 174 Abs. 4 AO liegt auch vor, wenn das FA bei der Einheitsbewertung eine Feststellung auf einen zu frühen Zeitpunkt vorgenommen hat. Dann kann nach Aufhebung dieser Feststellung die Feststellung auf den richtigen Zeitpunkt erfolgen.[8]

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge