Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 184
Die VO über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 ist durch VO v. 16.12.1994 um § 9 ergänzt worden. Betroffen sind Versicherungsverträge, die bis zum 31.12.2004 abgeschlossen worden sind. Festgestellt wird die ESt-Pflicht der rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus Renten- und Kapitalversicherungen, wenn die Zinsen steuerpflichtig sind, weil die Versicherung in steuerschädlicher Weise zu Finanzierungen herangezogen worden ist. Zur näheren Erl. ist BMF v. 16.7.2012, IV A 3 – S 0361/12/10001, BStBl I 2012, 686 ergangen.
Gesonderte Feststellungen können ab 24.12.1994 ergehen, und zwar auch, wenn der Vertragsschluss oder die schädliche Verwendung vor diesem Zeitpunkt liegt.
Es kann auch ein negativer Feststellungsbescheid ergehen, also ein Feststellungsbescheid, der feststellt, dass die rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen keiner ESt-Pflicht unterliegen. Dieser negative Feststellungsbescheid wird nur auf Antrag des Stpfl. erteilt.
Rz. 185
Für Versicherungsverträge, die bis zum 31.12.2004 abgeschlossen worden sind und für die die Feststellung der steuerpflichtigen Zinsen zu erfolgen hat, gilt folgende Regelung: Beiträge zu
- Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht,
- Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistungen, wenn das Kapitalwahlrecht nicht vor Ablauf von 12 Jahren seit Vertragsschluss ausgeübt werden kann,
- Kapitalversicherungen gegen laufende Beitragsleistungen mit Sparanteil, wenn der Vertrag für die Dauer von mindestens 12 Jahren abgeschlossen worden ist,
sind Sonderausgaben. In demselben Umfang gehören außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus diesen Versicherungen nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, werden also steuerlich nicht erfasst.
Werden diese genannten Versicherungen zur Tilgung oder Sicherung von Darlehen verwandt, deren Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind, so ist dies steuerschädlich, es sei denn,
- es handelt sich um die Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten bestimmter Wirtschaftsgüter,
- es handelt sich um eine Direktversicherung,
- die Versicherungssumme dient nicht länger als drei Jahre den Finanzierungszwecken.
Rz. 185a
Für diese Versicherungen ist § 9 durch VO v. 18.7.2016 neu gefasst worden. Die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen auf Sparanteile, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, wird gesondert festgestellt, wenn die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag im Erlebensfall der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind oder deren Beiträge nicht die Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs erfüllen.
Rz. 186
Folge der steuerschädlichen Verwendung der Versicherungssummen ist neben dem Wegfall des Abzugs der Versicherungsbeiträge als Sonderausgaben, dass die rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus den Versicherungsverträgen als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a. F. steuerpflichtig sind.
Der Zufluss dieser Zinsen, und damit das Eingreifen der Besteuerung, erfolgt regelmäßig mit Ablauf des Versicherungsvertrags. Das Ereignis, das die Steuerpflicht auslöst, die steuerschädliche Verwendung zu Finanzierungszwecken, liegt aber regelmäßig viele Jahre vor diesem Zeitpunkt. Es ist daher zweckmäßig, die Tatsache der Steuerpflicht der Zinsen zeitnah zu dem maßgebenden Ereignis festzustellen.
Rz. 187
Der Feststellungsbescheid ergeht gegenüber dem Versicherungsnehmer (persönlicher Regelungsbereich), der mit den Zinsen steuerpflichtig wird. Da der Versicherungsnehmer regelmäßig nur eine Person ist, ergeht die Feststellung nicht einheitlich. Sie ist jedoch eine einheitliche Feststellung, wenn mehrere Personen Versicherungsnehmer sind.
Das Versicherungsunternehmen ist nicht am Verfahren beteiligt und nicht Adressat des Feststellungsbescheids. Ihm gegenüber ergeht aber eine Mitteilung über die Steuerpflicht, woraus sich zwingend die Verpflichtung des Versicherungsunternehmens zur Einbehaltung von KapESt ergibt. Zwar ist diese Mitteilung über die Verpflichtung zum KapESt-Abzug gegenüber dem Versicherungsunternehmen formell nicht bindend, da das Versicherungsunternehmen nicht Adressat des Feststellungsbescheids ist. Allerdings handelt das Versicherungsunternehmen auf eigene Gefahr, wenn es den KapESt-Abzug unterlässt und sich später im Rechtsbehelfsverfahren herausstellt, dass Steuerpflicht bestand.
Rz. 188
Der Feststellungsbescheid besagt, dass die Zinsen aus einem bestimmten Vertrag steuerpflichtig sind. Der Stpfl. muss sie also bei Zufluss in die Besteuerung einbeziehen (sachlicher Regelungsbereich). Das Versicherungsunternehmen muss, ohne dass insoweit eine Bindungswirkung besteht, bei Zahlung KapESt einbehalten. Die Wirkungen des Feststellungsbescheids erstrecken sich nicht auf die Abzugsfähigkeit der Beiträge als Sonderausgaben und nicht auf di...