5.3.1 Grundlagen
Rz. 51
Die Geltendmachung der Haftung nach Steuergesetzen setzt die Existenz und den Fortbestand des Primäranspruchs voraus. Der Haftungsanspruch erlischt in jedem Fall, wenn die geschuldete Leistung erbracht ist.
In § 191 Abs. 3 und 5 AO wird ergänzend die Geltendmachung der Haftung in den Fällen eingeschränkt, in denen zwar die Leistung noch nicht erbracht, der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis jedoch erloschen ist.
5.3.2 Absoluter Ausschluss der Geltendmachung (§ 191 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 bis 2 AO)
Rz. 52
Für die Geltendmachung der Haftung nach Steuergesetzen bringt § 191 Abs. 5 S. 1 AO eine absolute Grenze. Die Geltendmachung ist abhängig vom rechtlichen Bestand des Primäranspruchs. Dabei ist aber stets maßgebend der Steueranspruch, auf welchen sich die Haftung konkret bezieht. Bei der Haftung für Lohnsteuer nach § 42d EStG ist mithin auf die Lohnsteuer und nicht die Einkommensteuer des Arbeitnehmers abzustellen.
Ein Haftungsbescheid darf nicht mehr erlassen werden, wenn:
die Festsetzung des Primäranspruchs nicht mehr erfolgen darf. Dies ist ausgeschlossen, wenn die Festsetzungsfrist nach §§ 169, 181 AO abgelaufen ist. Die eingetretene Festsetzungsverjährung bewirkt nach § 47 AO das Erlöschen des Primäranspruchs und damit das Erlöschen des Haftungsanspruchs.
Die Festsetzungsfrist muss vor der Bekanntgabe des Haftungsbescheids abgelaufen sein. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung für den Steueranspruch nach Erlass des Haftungsbescheids lässt dessen Rechtmäßigkeit unberührt.
Rz. 53
- für den festgesetzten Primäranspruch Zahlungsverjährung gem. § 228 AO eingetreten und dieser gem. § 47 AO erloschen ist. Tritt die Zahlungsverjährung nach Erlass des Haftungsbescheids ein, so wird dessen Rechtmäßigkeit hierdurch nicht berührt
Rz. 54
der festgesetzte Primäranspruch erlassen oder nach § 163 AO abweichend festgesetzt wurde und nach § 47 AO erloschen ist , auch wenn der bestandskräftige Erlass rechtsfehlerhaft gewährt worden ist. Unerheblich ist der Erlassgrund.
§ 191 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AO bringt eine Ausnahme von § 44 Abs. 2 S. 3 AO, wonach persönliche Umstände nur für den jeweiligen Gesamtschuldner wirken, in dessen Person sie vorliegen. Diese Modifizierung wird von dem Gedanken getragen, dass der Haftungsanspruch letztlich subsidiär gegenüber dem Steueranspruch sein soll . Die Geltendmachung des Haftungsanspruchs muss demgemäß auch dann ausgeschlossen sein, wenn nach dessen Festsetzung im Haftungsbescheid der Steuererlass ausgesprochen wird.
5.3.3 Ausschluss der Haftung nach § 71 AO (§ 191 Abs. 5 S. 2 AO)
Rz. 55
Ergibt sich die Haftung aus § 71 AO, also bei der Inanspruchnahme des Haftungsschuldners als Täter einer Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei für die verkürzten Beträge oder ungerechtfertigt erlangten Steuervorteile, so gilt nach § 191 Abs. 5 S. 2 AO die absolute Grenze nach Abs. 5 S. 1 nicht. Der Haftungsanspruch aus § 71 AO ist nicht mehr akzessorisch , sondern wird insoweit unabhängig vom rechtlichen Fortbestand des – nicht erfüllten – Primäranspruchs. Die Einschränkung des § 191 Abs. 5 S. 2 AO soll aber nicht für Teilnehmer an den entprechenden Taten gelten
Diese Haftung geht aber sowieso wegen ihres Schadenersatzcharakters nur soweit, wie die Steuerhinterziehung bzw. die Steuerhehlerei für die Haftung ursächlich war.
Rz. 55a
Die Geltendmachung der Haftung nach § 71 AO wird nicht dadurch gehemmt oder ausgeschlossen, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, wie sich insbesondere aus § 393 Abs. 1 S. 3 AO ergibt. Sie wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Verurteilung wegen der Straftat nicht erfolgt ist oder nicht erfolgen kann.
Die Geltendmachung des Haftungsanspruchs nach § 71 AO wird letztlich nur durch § 191 Abs. 3 AO ausgeschlossen .