4.1 Voraussetzungslose Prüfungsermächtigung
Rz. 28
§ 193 Abs. 1 AO enthält eine tatbestandlich voraussetzungslose Prüfungsermächtigung. Bei den in dieser Vorschrift genannten Stpfl. sind Außenprüfungen in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbots daher grundsätzlich unbeschränkt zulässig. Insbesondere enthält § 193 Abs. 1 AO anders als § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO keinen Vorrang der Prüfung an Amtsstelle.
Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die steuererheblichen Verhältnisse von Stpfl., die einen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten oder die freiberuflich tätig sind, "durchweg" nur durch Außenprüfungen genau überprüft werden könnten.
Das Gleiche gilt nach der im Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz v. 29.7.2009 bzw. der im Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz (StUmgBG) v. 23.6.2017 zum Ausdruck gekommenen Einschätzung des Gesetzgebers nunmehr auch für Stpfl. i. S. des § 147a AO, die wegen der Höhe der Überschusseinkünfte bzw. des Einflusses auf Drittland-Gesellschaften besonderen Aufbewahrungspflichten unterliegen.
4.2 Unternehmerisch tätige Steuerpflichtige (Abs. 1, 1. Alt.)
Rz. 29
In seiner ersten Alternative erfasst § 193 Abs. 1 AO Stpfl., die einen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten oder die freiberuflich tätig sind. Damit knüpft die Vorschrift an die entsprechenden Einkunftstatbestände des Einkommensteuerrechts an. Der Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO unterliegen daher Stpfl., die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder aus freiberuflicher Tätigkeit erzielen. Bezieher von Einkünften aus selbständiger Arbeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 2–4 EStG fallen nicht unter § 193 Abs. 1 AO.
Rz. 30
Nach dem Wortlaut der Vorschrift kann die Außenprüfung nur bei Stpfl. durchgeführt werden, die noch im Zeitpunkt der Prüfung einen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten oder freiberuflich tätig sind. Das entspricht aber nicht dem Zweck der Vorschrift, die die steuerlichen Verhältnisse von Unternehmern für besonders prüfungsbedürftig hält. Deshalb können die steuerlichen Verhältnisse früherer Unternehmer auch dann nach § 193 Abs. 1 AO geprüft werden, wenn sie ihren Betrieb veräußert oder aufgegeben haben. Dies gilt auch für den Erben eines Unternehmers. Nach § 45 Abs. 1 AO geht die Steuerschuld des Erblassers und damit auch die Verpflichtung aus Steuernachforderungen auf diesen als Gesamtrechtsnachfolger über; soweit die Steuerschuld auf der unternehmerischen Betätigung des Erblassers beruht, kann bei ihm daher auch eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO stattfinden. Zeitlich umfasst die Außenprüfung nach § 193 Abs. 1, 1. Alt. AO damit den gesamten Zeitraum vom Beginn der betrieblichen Betätigung bis zu deren Beendigung.
Rz. 31
Die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 193 Abs. 1, 1. Alt. AO braucht bei Erlass der Prüfungsanordnung noch nicht mit Gewissheit festzustehen. Eine Außenprüfung nach dieser Vorschrift ist vielmehr auch zu dem Zweck der Feststellung zulässig, ob der Stpfl. einen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhält oder freiberuflich tätig ist. Ursprünglich hatte der BFH zwar die Auffassung vertreten, dass eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO nur möglich sei, wenn nach dem Verhalten des Stpfl. für das FA feststehe bzw. kein vernünftiger Zweifel daran bestehe, dass dieser tatsächlich einen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalte oder tatsächlich freiberuflich tätig sei. Inzwischen lässt er es aber in st. Rspr. genügen, dass konkrete Anhaltspunkte für eine entsprechende Annahme bestehen.
Rz. 32
Bei Gewerbetreibenden sowie bei Land- und Forstwirten stellt das Gesetz darauf ab, dass die Stpfl. einen entsprechenden "Betrieb" unterhalten.
Was unter einem "Betrieb" zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht definiert. Aus dem Zusammenhang, in dem dieser Begriff im Rahmen des § 193 AO verwendet wird, ist zu schließen, dass er das Substrat bezeichnet, das dem Stpfl. zur Erzielung seiner Einkünfte dient und den Gegenstand der Außenprüfung bildet. Unter "Betrieb" ist daher diejenige organisatorisch abgeschlossene Einheit von personellen, sachlichen und immateriellen Produktions- und Leistungsfaktoren zu verstehen, mit der der Stpfl. Lieferungen und sonstige Leistungen am Markt anbietet und nachfragt.
Einen (gewerblichen) Betrieb in diesem Sinne unterhält im Fall der Betriebsaufspaltung nicht nur das Betriebs-, sondern auch ...