5.1 Zulässigkeit nach Abs. 2 Nr. 1
Rz. 61
Nach § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO ist eine Außenprüfung zulässig, soweit sie die Verpflichtung betrifft, für Rechnung eines anderen Steuern zu entrichten oder einzubehalten und abzuführen. Eine Steuerentrichtungspflicht ergibt sich z. B. aus § 7 Abs. 1 VersStG, Steuereinbehaltungs- und abführungspflichten ergeben sich z. B. aus §§ 38ff., 43ff., 48 und 50a EStG. Zumeist handelt es sich bei den zur Steuerentrichtung bzw. zur Steuereinbehaltung und -abführung Verpflichteten um Personen, die bereits nach § 193 Abs. 1 AO der Außenprüfung unterliegen, weil sie einen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten oder freiberuflich tätig sind. In den Anwendungsbereich des § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO fallen daher in erster Linie gemeinnützige Arbeitgeber, Körperschaften des öffentlichen Rechts und Privatpersonen, die Arbeitnehmer beschäftigen. Ferner ist z. B. an Stpfl. zu denken, die im Rahmen ihrer Vermietungstätigkeit Bauleistungen in Anspruch nehmen, die dem Steuerabzug nach § 48 EStG unterliegen. Insgesamt hat § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO in der Praxis aber nur eine geringe Bedeutung.
Da die Prüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO zulässig ist, soweit sie die dort genannten Pflichten "betrifft", ist es nicht erforderlich, dass diese Verpflichtungen bei Erlass der Prüfungsanordnung bereits feststehen. Es genügt, dass eine solche Verpflichtung in Betracht kommt und ihr Bestehen durch die Prüfung geklärt werden soll.
Rz. 62
Die Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO ist ebenso wie die nach § 193 Abs. 1 AO in typisierender Form zugelassen und bedarf daher keines konkreten Anlasses. Auch hier ist die Verwaltung in der Anordnung der Außenprüfung aber nicht völlig frei, sondern muss ihr Auswahlermessen pflichtgemäß ausüben.
Der zulässige Umfang der Außenprüfung wird durch den Tatbestand des § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO begrenzt. Geprüft werden darf danach nur die Entrichtung von Steuern für Rechnung eines anderen bzw. die Einbehaltung und Abführung von Steuern. Aus diesem Grund können z. B. bei einer LSt-Außenprüfung festgestellte Sachverhalte, die auch von umsatzsteuerlichem Interesse sind, zwar der für die USt zuständigen Stelle mitgeteilt, aber nicht zum Gegenstand einer auf § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO gestützten Prüfung gemacht werden. Demgemäß treten die Wirkungen einer Außenprüfung nur für die für Rechnung eines anderen zu entrichtenden bzw. einzubehaltenden und abzuführenden Steuern, nicht für andere Steuerarten ein.
Rz. 63 einstweilen frei
5.2 Zulässigkeit nach Abs. 2 Nr. 2
5.2.1 Geltungsbereich
Rz. 64
§ 193 Abs. 2 Nr. 2 AO stellt einen Auffangtatbestand dar, der die Prüfungsmöglichkeit unabhängig von den besonderen Voraussetzungen des § 193 Abs. 2 Nr. 1 und 3 AO auf alle nicht unter § 193 Abs. 1 AO fallenden Stpfl. erweitert. Er gilt damit für insbesondere für Selbständige, die nicht Freiberufler sind, und für Bezieher von Überschusseinkünften, die nicht unter § 147a AO fallen.
Die Vorschrift ermöglicht nicht nur die Prüfung von Einkünften, sondern aller für die Besteuerung relevanter Verhältnisse. Sie gilt nicht nur für die ESt, sondern auch für alle anderen Steuerarten wie ErbSt, GrESt und KfzSt, soweit das Gesetz nicht – wie z. B. in § 156 BewG – eigenständige Regelungen trifft.
§ 193 Abs. 2 Nr. 2 AO bietet auch die Rechtsgrundlage für die Prüfung gemeinnütziger Körperschaften im Hinblick auf die Gewährung, Versagung und Entziehung der Gemeinnützigkeit. Dies gilt auch dann, wenn die Existenz eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs oder die Frage aufgeklärt werden soll, ob dieser einen Zweckbetrieb i. S. d. §§ 65ff. AO darstellt. § 193 Abs. 1 AO greift in diesen Fällen nur ein, wenn die Möglichkeit besteht, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb wegen Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG einen Gewerbebetrieb darstellt. Entsprechendes gilt für die Prüfung von Betrieben gewerblicher Art i. S. d. § 4 Abs. 1 KStG.
Die Prüfungsmöglichkeit nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO steht selbstständig neben der Prüfung nach § 193 Abs. 1 i. V. m. § 194 Abs. 2 AO. Sollen die Gesellschafter einer Gesellschaft mit geprüft werden, kann die Finanzbehörde wählen, ob sie die bei der Gesellschaft durchzuführende Prüfung nach § 194 Abs. 2 AO auf die Gesellschafter ausdehnen oder nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO eine eigenständige Prüfung anordnen will.